Für Frankreichs Präsidenten Hollande sind es bittere Tage. Ein Jahr nach seinem Wahlsieg wünscht sich eine Mehrheit der Franzosen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy zurück.
Erhält Hollande diese schlechten Noten zu Recht? «Ja, einerseits – Nein, andererseits», urteilt der Frankreichexperte Gilbert Casasus von der Universität Freiburg. Er erklärt: «Hollande steht zwischen zwei Fronten. Zwischen der hohen Arbeitslosigkeit und den politischen Enttäuschungen sowie zwischen der Notwendigkeit Massnahmen zu treffen, die immer unpopulär sein werden», so Casasus.
François Hollande hatte vor einem Jahr eine Wende versprochen. Er galt als Hoffnungsträger, wollte die Produktivität steigern, die Arbeitslosigkeit verringern und gleichzeitig die sozialen Errungenschaften beibehalten. Von diesen Versprechen habe er bislang nur wenig umsetzen können, beurteilt der Experte das Schaffen des französischen Präsidenten.
Kompromissbereitschaft vs. regieren
Hollande sei ein Mann der Kompromisse, so Casasus. «Das ist vielleicht sein Hauptfehler.» Denn dies entspreche nicht unbedingt der französischen Seele. «Die mag es, wenn der Staatspräsident tiefgreifende Entscheidungen trifft.» Nur einmal habe Hollande in dem Jahr einen solchen Entscheid getroffen – beim Einmarsch der französischen Truppen in Mali. Da seien die Umfragewerte dann gestiegen.
Casusas ist überzeugt, Hollande verstehe nicht, dass man in der Politik hie und da etwas mehr Mut zeigen müsse. So etwa bei der hohen Arbeitslosigkeit in Frankreich – sie sei das Hauptproblem für die Unzufriedenheit der Franzosen. Hollande verspreche hier, es werde besser. «Das ist etwa so, wie ein Lehrer, der dem schlechtesten Schüler sagt: ‹Mach Dir keine Sorgen, es wird besser›. Doch der gute Lehrer würde sagen: ‹Damit es besser wird, musst Du, lieber Schüler, ein paar Massnahmen treffen›.» Und so sollte auch Hollande reagieren – ist der Frankreichexperte überzeugt. Hollande sei einfach zu zaghaft.
Keine politische Balance
Vielleicht hätten aber auch die Sozialisten zuviel Macht: «Noch nie hatten die Sozialisten sowohl den Staatspräsidenten, die Regierung, die Mehrheit im Parlament, die Mehrheit im Senat, die Mehrheit in der Region und die Mehrheit in den Städten.» Es gebe keine politische Balance – Hollande müsse sich dessen bewusst werden.
«Hollandes Freunde werden dabei zu Gegnern», erklärt der Franzose Casusas. So seien etwa die sozialistischen Ortspolitiker keine treibende Kraft. Im Gegenteil: «Sie verhindern, dass Hollande Strukturreformen vornimmt.» Hier wäre es jedoch gut, Hollande würde sich über seine eigenen Freunde stellen. Aber der Präsident sei durch seine ewige Kompromissbereitschaft manchmal nicht in der Lage ganz einfach auf den Tisch zu hauen und zu sagen: «Liebe Freunde, es reicht!»