Papst Franziskus hat das Eis zum Schmelzen gebracht. Es war im Sommer, als er im Vatikan Vertreter der USA und Kuba empfing. Dabei wandte sich Franziskus mit einem persönlichen Appell an beide Seiten. Sein Wunsch: ein «konstruktiver Dialog» zwischen den verfeindeten Lagern. Wie alle Welt nun weiss: Der Appell ist nicht verhallt.
Nach dem diplomatischen Coup haben US-Regierung und der kubanische Präsident Raúl Castro die Vermittlungsrolle des Papstes betont. Offenbar geniesst das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche sowohl in Washington als auch in Havanna Vertrauen. In Kuba schätzt man seine Kapitalismus-Kritik, die USA schätzen seine Bemühungen um eine Demokratisierung des Inselstaates.
Ganze 18 Monate soll die Annäherung zwischen Vertretern der USA und Kubas vorbereitet worden sein. In Kanada und eben im Vatikan habe man sich getroffen. Am Ende stand ein 45-minütiges Telefonat zwischen Barack Obama und Raúl Castro und das vorläufige Finale einer 50-jährigen Krise.
Nicht der erste «politische» Papst
Eine konkrete Rolle habe Franziskus beim Gefangenenaustausch gespielt, sagt SRF-Religionsexperte Hansjörg Schultz. Damit trete er in die Fussstapfen seines Vor-Vorgängers Johannes Paul II. Dieser war bereits 1998 auf Kuba und habe sich dort für die Freilassung politischer Gefangener stark gemacht, berichtet Schultz. Auf ihn folgte der Besuch von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2012.
Es drängen sich weitere Parallelen zwischen Johannes Paul und Franziskus auf. Beide haben Einfluss auf politische Entwicklungen in Regionen genommen, beide in ihrer «Heimat». «Papst Johannes Paul II. war gerade in seiner Anfangsphase politisch sehr engagiert», sagt Schultz. Ihm werde ein grosser Einfluss auf den politischen Umsturz in seiner Heimat Polen und Osteuropa zugesprochen, ergänzt er. Vehement setzte sich dieser für den Fall des Eisernen Vorhangs ein.
Wird nun der Argentinier Papst Franziskus das politische Geschehen in Lateinamerika zu seinem «Thema» machen? Im Fall der Annäherung zwischen Kuba und den USA hat er es bereits getan.
Kritik an Franziskus
Die diplomatische Einmischung von Franziskus reiht sich ein in eine lange Liste politischer Auftritte des Papstes.
Seine erste Reise führte ihn auf die italienische Insel Lampedusa – ein klarer Fingerzeig Richtung Rom und Europa, sich der Flüchtlingslage bewusst zu werden. In der Türkei mahnte er die Religionsfreiheit an, weil er sich um die christliche Minderheit sorgt. «In der Frage der syrischen Flüchtlinge betonte er, man solle nicht nur für die christlichen Flüchtlinge Sorge tragen, sondern sich um alle Flüchtlinge kümmern», ergänzt Schultz. Damit habe er sich sogar gegen anders gesinnte Kreise in der katholischen Kirche ausgesprochen.
Kritiker werfen ihm dennoch vor, zu zurückhaltend zu agieren. So habe er die Verbrechen des syrischen Machthabers Assad bislang nicht verurteilt. Bei einem Besuch in Südkorea fand er kein kritisches Wort zur Lage in Nordkorea. Auch in der Frage der Bombardierung der IS-Terroristen äusserte er sich ambivalent. Zwar hat er die Angriffe legitimiert, mahnte jedoch das fehlende UNO-Mandat an.
Jüngst hat er erneut seine Kritiker auf den Plan gerufen. Als der Dalai Lama kürzlich bei der Konferenz der Friedensnobelpreisträger in Rom weilte, verzichtete der 78-Jährige auf ein Treffen mit ihm. Ein Zeichen Richtung Volksrepublik China sei damit verpasst worden, war der Tenor der Kritik.
sda/koua