Er soll im Internet zur Trennung von Staat und Religion aufgerufen haben – und muss seine laizistische Grundhaltung bitter büssen. 1000 Stockschläge, zehn Jahre Haft, eine Geldstrafe und ein Reiseverbot werden dem Raif Badawi für seine Anmassung zuteil.
Nun ereilt den 31-jährigen saudischen Wirtschaftwsissenschafter eine passgenaue Genugtuung. Er erhält den Sacharow-Preis des EU-Parlaments «für die geistige Freiheit» – und handelt sich also die öffentliche Teilhabe ein, die ihm seine Kritiker mit den drakonischen Strafen haben austreiben wollen.
«Nicht in der Ignoranz suhlen»
Seinen Blog «Saudische Freie Liberale» hatte er 2008 gegründet und damit die Ordnungshüter des konservativen Königreichs gegen sich aufgebracht. Verhaftet wurde er mehrfach. Und im Mai 2014 folgte dann das harte Urteil.
Doch Badawi liess sich nicht beirren und kämpfte weiter gegen die Macht der saudischen Geistlichkeit. In seinem Buch «1000 Peitschenhiebe» rief er seine Mitbürger dazu auf, einen Neubeginn zu wagen – ohne den Klerus und auf die persönlichen geistigen Fähigkeiten bedacht. Man dürfe sich nicht länger in der Ignoranz suhlen, während andere zivilisierte Nationen das Leben genössen.
Die ersten 50 Stockhiebe musste Badawi im vergangenen Januar vor einer Moschee in Dschidda ertragen. Ein Amateurvideo bezeugte die Sanktion. Sodann wurde die Tortur, die wöchentlich hätte stattfinden sollen, immer wieder verschoben. Aus gesundheitlichen Gründen, wie es hiess. Weitere Stockschläge seien im angesichts seines Zustands voerst nicht zuzumuten.
Kritik prallte an Riad ab
Der Fall Badawi löste weltweit Proteste aus. Amnesty International setzte sich für den Blogger ein. Und verschiedene westliche Regierungen versuchten, den Sanktionen Einhalt zu gebieten. Ihr Erfolb blieb aus. Riad wies jede Kritik als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurück und zementierte im Juni das blutige Urteil.
Vor gut einer Woche dann trat Badawi in einen Hungerstreik, nachdem er in ein abgelegenes Gefängnis ausserhalb der Stadt Dschidda verlegt worden war. Badawis Frau zufolge könne die Verlegung nur bedeuten, dass sein Fall abgeschlossen worden sei – und die Stockhiebe jederzeit wieder angesetzt werden könnten.
Symbolfigur und Vater
Als eine «Symbolfigur für Menschen, die für die Grundrechte kämpften» würdigte heute in Brüssel EU-Parlamentspräsident Martin Schulz den couragierten Blogger.
Den Preis nahm Badawis Ehefrau, Esaf Haidar, entgegen. Sie, die mit zwei Töchtern und einem Sohn nach Kandada geflüchtet ist, ehrte ihren Mann als «guten Vater», den die gemeinsamen Kinder vermissen würden.