Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat den Friedensnobelpreis erhalten, weil er mit den Farc-Rebellen Frieden schliessen will. Sein Volk allerdings hat dieses Abkommen in einem Referendum abgelehnt. Santos bemüht sich derzeit um eine Überarbeitung des Friedensvertrags. Er führt weitere Verhandlungen mit der Farc, der Opposition und Vertretern der Zivilgesellschaft, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Als Vermittler agiert Gianni La Bella von Sant'Egidio.
Die katholische Laienorganisation sitze zwar nicht am Verhandlungstisch, sagt La Bella. Aber sie stehe direkt daneben und sei von beiden Konfliktparteien als Vermittlerin eingesetzt worden. Darum kennt La Bella den Friedensprozess genau und erklärt, woran es in den letzten Wochen haperte.
Man hätte zum Beispiel Vereine, Organisationen, die Kirchgemeinden im ganzen Land in den Prozess einbinden müssen.
«Man hätte die Verhandlungen, die nicht in Kolumbien sondern auf Kuba stattfanden, den Kolumbianern besser erklären sollen. Man hätte zum Beispiel Vereine, Organisationen, die Kirchgemeinden im ganzen Land in den Prozess einbinden müssen.» Zwischen der Unterzeichnung des Friedensvertrags und dem Referendum lag nur eine Woche. Das sei zu wenig gewesen, um das Resultat breit zu diskutieren und in der Bevölkerung zu verankern.
Sant'Egidio ist eine unabhängige Organisation, handelt aber in enger Absprache mit dem Vatikan. Als Verein kann sie in Kolumbien unkomplizierter und schneller verhandeln und eingreifen als der Vatikan, der ein Staat ist. «Wir müssen einzelne Punkte nachverhandeln. Vor allem die Bestrafung der Farc-Kommandanten für die zahlreichen, während des 52-jährigen Konflikts begangenen Kriegsverbrechen», sagt La Bella.
Die Pflicht, eine gemeinnützige Arbeit, einen Sozialdienst zu verrichten, stellt durchaus eine Alternative zum Gefängnis dar.
Viele Kolumbianerinnen und Kolumbianer, die beim Referendum Nein sagten, wollten härtere Strafen. Eine gerechte Strafe, betont La Bella, müsse nicht zwingend Gefängnis bedeuten. «Die Pflicht, eine gemeinnützige Arbeit, einen Sozialdienst zu verrichten, stellt durchaus eine Alternative zum Gefängnis dar», meint er. Nicht die Haft, sondern die Anerkennung der Schuld sei der springende Punkt.
«Es ist daher zentral, die Täter verantwortlich zu machen und rechtskräftig zu verurteilen.» La Bella weiss, dass das den Gegnern bisher nicht gereicht hat, er glaubt aber trotzdem, mit gemeinnütziger Arbeit statt Gefängnis sei ein Kompromiss möglich.
Es ist zentral, die Täter verantwortlich zu machen und rechtskräftig zu verurteilen.
Genauso wie bei der Frage, ob die Farc-Rebellen in Zukunft eine garantierte Vertretung von je fünf Sitzen in beiden Parlamentskammern erhalten sollen. Man könne ja, sagt der Vermittler von Sant'Egidio, darüber sprechen, diese Zahl auf beispielsweise drei zu beschränken, oder aber den Farc-Rebellen nur in einer der beiden Kammern eine Vertretung zuzusichern.
So könnte man den Widerstand des prominentesten Gegners, jenen von Ex-Präsident Álvaro Uribe, vielleicht sogar abschwächen: «Uribe, der nun Senator, also ein Parlamentarier ist, kann sich nicht vorstellen, als Sitznachbarn plötzlich einen Ex-Guerillero zu haben. Warum also die Präsenz der Farc nicht auf die andere Parlamentskammer, das Repräsentantenhaus, beschränken?», gibt La Bella zu bedenken.
Bricht man zu grosse Stücke aus dem Vertragswerk, droht alles zusammenzubrechen.
Noch grössere Änderungen aber seien weder für die eine noch die andere Seite akzeptabel, man müsse daran feilen: «Bricht man zu grosse Stücke aus dem Vertragswerk, droht alles zusammenzubrechen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zeit drängt: Denn Präsident Santos hat, bevor sein Mandat ausläuft, nur noch etwa ein Jahr Zeit, in dem er handlungsfähig ist.»
Der erfahrene Vermittler, der schon oft neben Verhandlungstischen stand, nennt einen Trick: «Man muss die beiden Delegationen in einen Raum sperren und ihnen erst dann wieder zu Essen bringen, wenn sie sich geeinigt haben. So hat man das im Mittelalter bei einer besonders umstrittenen Papstwahl gemacht», scherzt der Kirchenmann und fügt dann, wieder ernster, an: «Der Frieden in Kolumbien ist noch immer möglich.»