Lastwagen karren Polizeischlauchboote heran, Sicherheitskräfte bringen Wasserwerfer in Stellung und ziehen Absperrungen hoch: Das edle Golfresort am See Lough Erne in Nordirland verwandelt sich in eine Festung. Am Montag startet der G8-Gipfel.
Flugverbotszone auch für Modellflieger
Geschützt wird die Gegend unweit des Städtchens Enniskillen von 8000 Beamten der nordirischen Polizei. Auch eine Flugverbotszone ist geplant. Nicht einmal Modellflieger dürfen dann noch in die Luft.
Die britische G8-Präsidentschaft will mit dem Gipfel punkten. Premierminister David Cameron braucht dringend Erfolgserlebnisse. Er wurde von EU-Gegnern in der eigenen Partei in den vergangenen Wochen geradezu vorgeführt und steht in Europa wegen seines Zick-Zack-Kurses nahe der Isolation.
Kinder in Kriegsgebieten
«Wie jeder Gastgeber erhofft sich Cameron vom Gipfel eine innenpolitische Stärkung», sagt SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger. Ein erfolgreicher Gipfel verleihe dem Politiker Prestige im eigenen Land. Überdies erhofft sich die britische Regierung aber auch, im Syrien-Konflikt voranzukommen.
Ebenfalls auf die Agenda gesetzt hat Cameron das Thema von Kindern in Kriegsgebieten, beispielsweise in Kongo, Mali oder Syrien. Dabei geht es um Kindersoldaten und Massenvergewaltigungen, aber auch um getötete Kinder. «Damit kann die Regierung auch emotional Punkte gewinnen», sagt Fredy Gsteiger.
Cameron wird zudem versuchen, den globalen Kampf gegen Steuerflucht voranzutreiben. Dazu trifft er sich am Samstag in London mit den Vertretern von zehn britischen Offshore-Finanzzentren. Ob er damit den Vorwurf von Lippenbekenntnissen entkräften kann, bleibt ungewiss.
Internationale Konzerne im Fokus
Um Steuerbetrügern das Handwerk zu legen, fasst man am Gipfel einen gemeinsamen Standard für einen möglichst umfassenden internationalen Informationsaustausch zwischen den nationalen Steuerbehörden ins Auge. Dazu möchte man möglichst viele Steueroasen ins Boot holen.
Auch gegen die legale Steuerflucht, insbesondere von internationalen Konzernen, wollen einige Länder vorgehen. Viele Firmen können ihre Steuerlast drastisch senken, indem sie Gewinne in Länder verschieben, in denen darauf kaum oder gar keine Steuern erhoben werden.
Neben Steuerflucht sind Handel und Transparenz die Gipfel-Schwerpunkte. Im Bereich Transparenz geht es darum, die Pflichten von Unternehmen auszuweiten: Vor allem Geschäfte mit Bodenschätzen aus Entwicklungs- und Schwellenländern sollen sie künftig offenlegen müssen.
USA und Russland sprechen über Syrien
Geplante Gespräche zur Lage der Weltwirtschaft enthalten besonders viel Zündstoff. Ein Beispiel ist die äusserst lockere Geldpolitik der Notenbanken, die derzeit die Märkte rund um den Globus verunsichert.
Mit Spannung wird erwartet, ob die EU und die USA den Beginn von Freihandelsgesprächen feiern können. Damit sollen Zölle und andere Hemmnisse wegfallen.
Am Rande des Gipfels werden sich US-Präsident und der russische Staatschef Wladimir Putin zu bilateralen Gesprächen treffen. «Die Atmosphäre ist schlecht zwischen Washington und Moskau», sagt SRF-Korrespondent Gsteiger. Der grösste Problem Fall sei Syrien. Die Positionen der Parteien im Konflikt könnten unterschiedlicher nicht sein. «Obama, der Westen und die arabischen Länder sagen: Präsident Assad muss weg. Putin hingegen unterstützt die syrische Regierung politisch und militärisch.»
Getrübt wird die Stimmung allerdings von einem drohenden Handelskrieg zwischen der EU und China. Nachdem die EU-Kommission Anfang Juni Strafzölle für chinesische Solarmodule angekündigt hat, drohte China daraufhin mit Strafzöllen auf europäische Weine. Auch die Autobranche fürchtet Sanktionen auf dem lukrativen chinesischen Markt. Einen Ausweg wird man am Gipfel aber nicht finden. Die neue Wirtschaftsgrossmacht China ist in Lough Erne nicht eingeladen.
«Kaminfeuergespräche» sind wichtig
Welche Ergebnisse wird der Gipfel wirklich liefern? «Das ist immer extrem schwierig vorauszusagen», sagt Fredy Gsteiger. «In der Vergangenheit entwickelte jeder G8-Gipfel seine eigene Dynamik – manchmal traten dabei Themen in den Vordergrund, die ursprünglich nicht im Vordergrund waren.»
Zudem gehe es immer auch um Vertrauensbildung und – wie zu früheren Zeiten – auch um «Kaminfeuergespräche». Man hege jedoch die grosse Hoffnung, Putin von seiner totalen Unterstützung für das syrische Regime abzubringen. Ein ehrgeiziges Ziel.