Die Anhänger des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi weichen vor der geplanten Räumung ihrer Protestlager in Kairo keinen Zentimeter zurück. Am Abend harrten noch immer Tausende Menschen in den beiden Zeltstädten in der ägyptischen Hauptstadt aus. Zusätzlich Druck machten die Islamisten durch einen Protestmarsch zum Justizgebäude in der Innenstadt.
Ein Beamter des Innenministeriums hatte am Sonntag erklärt, die Polizei bereite die schrittweise Räumung der Protestlager vor. Aus Sicherheitskreisen hiess es jedoch dann, die ursprünglich für Montag geplante Räumung der Protestlager werde doch erst später beginnen. Wegen noch zu vieler Demonstranten vor Ort.
Die Mursi-Anhänger schichteten nach der Räumungsankündigung rund um die Protest-Lager Sandsäcke und Steinhaufen auf. «Wir rechnen damit, das jederzeit alles passieren kann», sagte ein Demonstrant. Aber: «Wir bleiben hier.»
Aushungern statt Blutvergiessen
Die Räumung der Protestlager könnte also länger dauern. Ziel sei ein Ende ohne Blutvergiessen, berichtete die arabische Zeitung «Al-Sharq Al-Awsat» am Samstag unter Berufung auf einen Verantwortlichen. Der Informant sagte, die Umsetzung des Plans könne bis zu drei Monate in Anspruch nehmen.
Die Polizei wolle bei der Räumung schrittweise vorgehen: So soll in den nächsten Tagen zunächst der Zugang zu dem Protestlager rund um die Rabea-al-Adawija-Moschee blockiert werden. Zugleich drehe man den Protestierenden das Wasser ab und sorge dafür, dass keine Lebensmittel mehr in die Zeltstadt gelangen. Anschliessend werde die Polizei das Zeltlager der Anhänger Mursis mit Tränengas und Wasserwerfern angreifen.
Seit Mittwoch hat sich die Lage zugespitzt, nachdem die vom Militär eingesetzte Regierung die internationalen Vermittlungsbemühungen für gescheitert erklärt hatte. Zuvor hatten sich Politiker aus der EU und den USA um eine Lösung des Konfliktes bemüht.
Eskaliert die Situation, tritt el Baradei zurück
Beobachter fürchten eine Eskalation der Gewalt, da sich die Demonstranten bislang nicht kompromissbereit gezeigt haben und eine Wiedereinsetzung des demokratisch gewählten Mursi fordern. Rund 300 Menschen sind bereits bei den Protesten gegen die Absetzung Mursis ums Leben gekommen.
Vizepräsident Mohamed el Baradei kündigte an, bei einem möglichen Blutvergiessen von seinem Amt zurückzutreten. El Baradei gilt als demokratisches Aushängeschild und machte in der westlichen Welt den Wandel im Land glaubwürdig. Sein Rücktritt hätte zur Folge, dass nur noch eine technokratische Regierung im Dienste einer Militärherrschaft übrig bleibt, sagt Sonja Zekri, Korrespondentin für verschiedene deutschsprachige Zeitungen in Kairo. Dies wolle die Armee um jeden Preis vermeiden.
Ehrenhafter Ausweg für Mursi
Das Verständnis in der Bevölkerung für die Mursi-Anhänger habe in den letzten Tagen abgenommen, erklärt Sonja Zekri. Eine überwiegende Mehrheit der Ägypter meint, es müsse nun Schluss gemacht werden mit den Protesten. Ein Jahr nach der Wahl von Mohammed Mursi wolle man mit ihm nichts mehr zu tun haben.
Nach Einschätzung von Diplomaten kann sich die Lage nur beruhigen, wenn ein ehrenhafter Ausweg für Mursi gefunden wird, seit dem Umsturz inhaftierte politische Gefangene freigelassen werden und die Muslimbrüder auch künftig eine politische Rolle spielen dürfen.