In der Debatte um die britischen Reformforderungen gibt es erste zuversichtliche Töne. «Ich bin viel optimistischer als vor unserem Treffen», sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am frühen Freitagmorgen in Brüssel nach einer mehrstündigen Debatte.
Besonders umstritten ist Camerons Ansinnen, dass zugewanderte EU-Bürger vier Jahre in Grossbritannien gearbeitet haben müssen, um bestimmte Sozialleistungen zu erhalten.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach Abschluss des ersten Gipfeltages: «Bei gutem Willen kann man auch hier Wege finden, die den verschiedenen Anliegen gerecht werden.»
Referendum als Druckmittel
Eine Änderung der europäischen Verträge schloss die deutsche Kanzlerin nicht aus, mahnte aber ein verantwortungsvolles Handeln an. Der französische Staatspräsident François Hollande lehnte Vertragsänderungen ab. Cameron zeigte sich ebenfalls zuversichtlich. «Es gibt einen Weg zu einer Einigung im Februar», sagte er. «Es wird viel harte Arbeit brauchen, aber ich habe heute Nacht viel guten Willen gespürt.»
- Darüber streitet Europa Darüber streitet Europa
- Harsche Worte am EU-Flüchtlingsgipfel Harsche Worte am EU-Flüchtlingsgipfel
- Flüchtlingskrise: Merkel vereint die CDU hinter sich Flüchtlingskrise: Merkel vereint die CDU hinter sich
- Slowakei reicht Klage gegen EU-Flüchtlingsverteilung ein Slowakei reicht Klage gegen EU-Flüchtlingsverteilung ein
Die EU lässt sich auf Reformverhandlungen ein, um einen Verbleib Grossbritanniens in der EU zu ermöglichen. Cameron will seine Landsleute bis Ende 2017 in einem Referendum befragen. Spekuliert wird über einen Termin Mitte 2016.
Gipfel-Entscheid im Februar?
Der aus Polen stammende Tusk zeigte sich allerdings unnachgiebig bei EU-Grundsätzen wie der Nicht-Diskriminierung: «Wir sind absolut überzeugt, dass wir hart bleiben müssen, wenn es darum geht, rote Linien und fundamentale Werte zu verteidigen.»
Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei lehnen Einschränkungen bei der Freizügigkeit innerhalb der EU grundsätzlich ab. Hunderttausende Polen leben und arbeiten in Grossbritannien. Die Staats- und Regierungschefs vereinbarten, über alle Forderungen Camerons zu verhandeln, um beim nächsten Gipfel im Februar zu einer Vereinbarung zu kommen.
Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde
In der Flüchtlingskrise geben die EU-Staats- und Regierungschefs ein deutliches Signal zum verstärkten Schutz der gemeinsamen Aussengrenzen. Die Mitgliedsländer wollen sich bis Ende Juni 2016 auf den Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde Frontex verständigen.
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass EU-Grenzschützer notfalls auch gegen den Willen eines Landes eingesetzt werden können, um die Aussengrenzen zu schützen. Vor dem Gipfel hatten Länder wie Polen und Ungarn Widerstand signalisiert. Es wird noch mit harten Debatten gerechnet.
«Schneller lernen»
Merkel hielt in der Runde an ihrer Forderung fest, verbindliche und dauerhafte Verfahren zur Verteilung von Flüchtlingen vor allem aus Syrien zu schaffen. Sie warnte vor überzogenen Erwartungen. «Wir haben das Problem seit vier Monaten oder fünf Monaten. Für manche Sachen haben wir in Europa zehn Jahre gebraucht, so wichtig waren sie. Jetzt müssen wir das ein bisschen schneller lernen.»
Die EU-Chefs wollen auch dafür sorgen, dass die Registrierungszentren für Flüchtlinge in Griechenland und Italien besser arbeiten. Sie fordern auch die Ständigen EU-Botschafter auf, sich endlich auf Einzelheiten der Finanzierung von drei Milliarden Euro zu einigen, die an die Türkei zur Unterstützung syrischer Flüchtlinge fliessen sollen.
Probleme mit gefälschten Pässen
Die Türkei will den Zustrom von Flüchtlingen aus Syrien mit einer Visumspflicht bremsen. Diese soll vom 8. Januar an gelten, wie Ministerpräsident Ahmet Davutoglu in Brüssel ankündigte. Zugleich werde die Tür für Menschen offenbleiben, die klar als Flüchtlinge erkennbar seien, sagte ein ranghoher türkischer Regierungsvertreter in Istanbul. Mit dem Vorstoss reagiere die Türkei darauf, dass über Ägypten und den Libanon immer mehr Leute mit gefälschten syrischen Pässen ins Land kämen.
In der Türkei sind bereits rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien untergekommen. Am Rande des EU-Gipfels versammelte sich der «Club der Willigen» aus elf europäischen Ländern, die Ankara Flüchtlingskontingente abnehmen wollen. Zahlen wurden nicht genannt.