An der Athinas-Strasse riecht es nach Orient. Kräuter, Gewürze, Seife aus Aleppo. Hier, auf dem zentralen Athener Markt ist immer was los, auch wenn Bus und Metro still stehen. Viele der Kunden sind Rentner. Einer von ihnen sagt: «40 bis 45 Prozent meiner Rente habe ich schon verloren. Und jetzt wird sie wohl nochmals kleiner». Es trifft nicht nur ihn persönlich, die ganze Familie leidet, denn er unterstützt mit seiner mickrigen Rente auch seine Tochter, die studiert.
Tiefe Renten, hohe Preise
Ein anderer, älterer Mann hört mit und mischt sich ein: «Man kann doch nicht immer nur kürzen. Irgendwann gibt es gar niemanden mehr, der hier noch was kaufen kann». Sein Mantel hat ihn wohl schon durch manchen Athener Winter begleitet. Der Mann ärgert sich über die hohen Preise, zum Beispiel für die Milch: «Für Milch bezahlen wir hier mehr als in Belgien». Er wisse das, weil seine Tochter in Brüssel lebe.
Beide Rentner sagen, sie hätten weder Premier Alexis Tsipras noch sein Linksbündnis je gewählt. Ihren Versprechungen, die Renten nicht anzutasten, hätten sie nie geglaubt.
Anfang Januar hat Regierungschef Tsipras seine Rentenreform vorgestellt. Er tat es nicht aus freien Stücken, sondern unter Druck der internationalen Geldgeber. Tsipras hat zwar erneute versprochen, bestehende Renten nicht zu kürzen. Die künftigen aber sollen kleiner ausfallen. Und viele Arbeitnehmer werden für diese tieferen Renten ab sofort höhere Renten zahlen müssen. Ohne diese Massnahmen drohe dem Rentensystem der Kollaps, so Tsipras.
Drei Berufstätige finanzieren drei Rentner
Jorgos Kyriakopoulos' Büro liegt nicht weit vom Wochenmarkt entfernt. Er leitet eine der grossen Rentenkassen Griechenlands. Stimmt, sagt er, der Kollaps drohe tatsächlich: «Jeden Monat, bevor wir die Renten auszahlen, müssen wir kurzfristig einen Kredit aufnehmen, weil wir keine Reserven mehr haben. Sobald dann wieder Beiträge hereinkommen, zahlen wir den Kredit zurück», sagt Kyriakopoulos, «aber wir sind am Limit».
Trotzdem hält er von den Rentenplänen der Regierung wenig. Höhere Lohnabgaben werden, so prophezeit er, nur die Schattenwirtschaft stärken. Und tiefere Renten seien sozial nicht zu verkraften: «52 Prozent der griechischen Familien, also mehr als die Hälfte, hängen von Renten ab. In diesen Familien ist die Rente das einzige oder das Haupt-Einkommen». Und Rentenkassendirektor Kyriakopoulos nennt noch eine weitere, beunruhigende Zahl: Vier Arbeitende finanzieren drei Rentner. Einleuchtender kann man kaum erklären, warum das System defizitär ist.
Nächste Rentenreform kommt
Was tun, was wäre sein Vorschlag? «Bevor der Staat bei den Renten spart, soll er schauen, dass die Wirtschaft in Gang kommt. Erst dann, so sagt er, bestehe Spielraum, die Renten zu sanieren».
Derzeit sind wieder Vertreter der internationalen Geldgeber in Athen. Im Visier haben sie wieder die Renten. Viele rechnen damit, dass sie die griechische Regierung auffordern werden, bei den Renten noch mehr und noch schneller zu sparen.