Zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg haben die Präsidenten Kubas und der USA direkt miteinander gesprochen. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sollen wieder aufgenommen werden. Zudem werden politische Gefangene ausgetauscht.
Beat Soltermann, SRF-Korrespondent in Washington, hat die Rede von US-Präsident Obama mitverfolgt.
SRF: Krempelt Obama die bisherige amerikanische Kuba-Politik komplett um?
Beat Soltermann: Das kann man schon sagen. Für das Weisse Haus ist das die grösste Veränderung seit 50 Jahren.
Letztes Jahr hatte Obama eingeräumt, das Embargo gegen Kuba funktioniere nicht. Ist das jetzt die Konsequenz?
Genau. Obama hat wiederholt gesagt, man könne nicht etwas immer wieder gleich machen, und dabei andere Ergebnisse erwarten. Die Isolation des Castro-Regimes hat für ihn nicht funktioniert. Weder dem kubanischen noch dem amerikanischen Bürger helfe es, wenn man an einer Politik festhalte, die in Gang gesetzt worden sei, bevor die meisten Bürger der Länder geboren wurden. Zudem habe das Embargo der kubanischen Regierung als Vorwand gedient, die Freiheit der Kubaner einzuschränken.
Wie weit geht Annäherung jetzt?
Sehr weit. Zum ersten Mal seit Beginn der 60er-Jahre sollen wieder direkte diplomatische Beziehungen aufgenommen werden. Bislang hat die Schweiz zwischen den beiden Staaten vermittelt, nun soll Washington auf Kuba wieder eine Botschaft einrichten. Es soll für Amerikaner einfacher werden, nach Kuba zu reisen oder Geld zu überweisen. Das geht weit über die Veränderungen der letzten Jahrzehnte hinaus. Das Embargo ganz aufheben kann Obama aber nicht. Das kann nur der Kongress.
Die Republikaner, aber auch viele Exilkubaner, haben bisher eine Normalisierung mit Kuba energisch bekämpft. Wie riskant ist da diese politische Kehrtwende von Obama?
Sie ist sicher nicht mehr so riskant wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Aber es wird Opposition geben. Bereits jetzt werden kritische Stimmen laut, die dem Präsidenten vorwerfen, den Castro-Brüdern einen Rettungsring zugeworfen zu haben. Sie betonten, dass das kubanische Regime die Menschenrechte verletzen würden. Der Widerstand dürfte aber nicht genug stark sein, um den neuen Kurs Obamas zu verhindern. Die Exilkubaner sind gespalten. Die älteren Leute dort stellen sich nach wie vor gegen jegliche Lockerungen. Bei den jüngeren Exilkubanern der zweiten oder dritten Generation sieht das anders aus. Sie fühlen sich mehr als Amerikaner denn als Kubaner.
Es hiess, Papst Franziskus habe den Boden für diese Annäherung geebnet.
Der Papst hat mit Appellen an Obama und Castro tatsächlich geholfen. Er hat auch ein Treffen zwischen Vertretern beider Staaten im Vatikan organisiert.
«Die Leute hoffen darauf, dass das Embargo fällt»
Gleichzeitig mit US-Präsident Obama wandte sich der kubanische Präsident Raul Castro in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung. Richard Bauer, langjähriger Lateinamerika-Korrespondent der NZZ, hat die Rede in Havanna verfolgt:
SRF: Sie haben die Rede Castros vor Ort verfolgt. Was hat er gesagt?
Richard Bauer: Im Vordergrund steht für Kuba die Freilassung der drei sogenannten Antiterroristen aus Miami. Zweitens hat er angekündigt, die diplomatischen Beziehungen mit den USA wieder aufzunehmen.
Gibt es schon Reaktionen vor Ort?
Die Leute hoffen darauf, dass das Embargo fällt. Man ist sich einig, dass der Wirtschaftskurs der Regierung zum Scheitern verurteilt ist, solange das Embargo besteht.
Was bedeutet diese Annäherung an die USA für Kuba?
Man hofft, dass Kubaner und Amerikaner frei reisen können und dabei vor allem, dass viele Amerikaner Kuba besuchen. Man hofft auch auf leichtere Geldüberweisungen von den USA nach Kuba, auf bessere Post- und Telefonverbindungen.
Was war der Auslöser für dieses politische Tauwetter?
Raul Castro sagte in seiner Ansprache, die Gespräche zwischen den USA und Kuba hätten unter der Vermittlung von Kanada stattgefunden. Das wusste man bislang nicht. Zudem habe sich der Papst für die Normalisierung dieser Beziehung eingesetzt. Bei Castro steht aber die Angst im Vordergrund, dass sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert. Sollten in der Folge der Annäherung die Erdöllieferungen Venezuelas wegfallen, wäre Kuba plötzlich wieder in einer Notsituation.