Der Nahost-Experte Guido Steinberg geht von einem Angriff der sunnitischen Terrorgruppe Isis auf die irakische Hauptstadt aus. «Es geht Isis auch deutlich um Bagdad», sagte er.
Die Organisation wird versuchen, in den sunnitischen Stadtvierteln Fuss zu fassen. «Allerdings wird da auch die Grenze der Expansion liegen», sagte Steinberg, der bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin forscht.
Isis nicht sonderlich beliebt
Die von Schiiten dominierte Regierung des Iraks liegt im Streit mit den sunnitischen Parteien. Dennoch geniessen die sunnitischen Isis-Kämpfer laut Steinberg keine aktive Unterstützung der sunnitischen Bevölkerung.
Allerdings stellen sich die Sunniten der Isis auch nicht entgegen. «Das, was wir jetzt sehen, ist eher das Ergebnis des Hasses der Sunniten auf die Zentralregierung. Deshalb stehen sie am Rand und dulden zumindest, dass Isis so stark wird.»
In Bagdad dominierten die Schiiten mit Regierungstruppen und loyalen Milizionären. «Da wird Isis nicht Fuss fassen können.» Steinberg rechnet aber mit schweren Anschlägen auf die Stadt in den nächsten Tagen. Eine schnelle Lösung des Konflikts sei nicht in Sicht: «Von Stabilität darf man in den nächsten Jahren nicht reden.»
Sunniten und Schiiten an einem Tisch
Nun gehe es für die Regierung in Bagdad darum, mit militärischen Mitteln die schlimmsten Auswirkungen des Teilzusammenbruchs des Landes einzudämmen. Für eine längerfristige Lösung müsste sie versuchen, sunnitische und säkulare Kräfte in die Politik einzubinden. «Das wird jetzt auch die wichtigste Aufgabe der
Amerikaner sein, darauf hinzuwirken.»
Die Zukunft des geschwächten Regierungschefs Nuri al-Maliki hängt laut Steinberg davon ab, ob er Isis zurückdrängen kann. Ohne Erfolge «dürfte die Luft für ihn sehr dünn werden.» Dann dürfte er die Unterstützung des Irans verlieren. «Das sind die Königsmacher.» Allerdings steht momentan noch kein Konkurrent in den Startlöchern.