Mit dem umstrittenen «Transparenz-Gesetz» will Israel künftig gegen Nichtregierungsorganisationen (NGO) vorgehen. Heute soll es in der Knesset durchgewinkt werden. Damit müssen Organisationen, die mehr als die Hälfte ihres Geld aus dem Ausland erhalten, dies in Zukunft stets klar ausweisen können – und ihre Vertreter müssen sich mit einem Abzeichen erkennbar machen.
Hinter dieser neuen Regelung steht die israelische Justizministerin Ajelet Schaked von der rechtsnationalen Siedlerpartei «Jüdisches Heim». Sie will damit «die Einmischung von aussen regulieren». Gisela Dachs arbeitet als Journalistin in Tel Aviv. Sie stellt einen immer schärferen Ton in Gesellschaft und Politik fest.
SRF News: Inwiefern soll die «Einmischung von aussen reguliert» werden – was wollen die Siedlerpartei und die Regierung?
Gisela Dachs: Sie halten es für inakzeptabel, dass die EU oder Regierungen anderer Länder NGOs vor Ort finanzieren, die dann in Israels Namen operieren. Die Idee hinter dem Transparenzgesetz ist: Wer mehr als die Hälfte seiner Ressourcen aus dem Ausland bekommt, soll das auch klar sagen. So soll auch verhindert werden, dass Informationen unbeabsichtigt ins Ausland fliessen könnten.
Welche Organisationen hat die Regierung konkret im Visier?
Diese Frage hat hier zu einer grossen Debatte geführt. Faktisch sind es linke, regierungskritische NGOs, die vor allem von Regierungen aus dem Ausland finanziert werden. Rechte Organisationen bekommen in der Regel Gelder von privaten Spendern; und die sind somit nicht im Visier. Das ist die Hauptkritik von Seiten der Opposition.
Wie begründet die Regierung, dass private Gelder an rechte, siedlernahe Organisationen und an die Regierung nicht deklariert werden müssen?
Sie argumentiert damit, dass Regierungen oder auch die EU eine andere Macht hätten. Sie könnten versuchen, Israel bestimmte politische Vorstellungen aufzudrücken. Diese Akteure hätten einen ganz anderen Einfluss als private Geldgeber, sagen die Befürworter des Gesetzes. Private könnten zwar durchaus Siedler finanzieren, aber nicht mit geballter Regierungsmacht kommen. Die ehemalige israelische Justizministerin, Tzipi Livni, sagt derweil, dass sie nichts gegen ein solches Gesetz hätte. Doch alle NGOs, auch die rechten, sollten ihre Gelder offenlegen. Auch diese Haltung gibt es in der Opposition.
Die Opposition spricht von einer Beschneidung der Meinungsfreiheit durch dieses Transparenzgesetz. Ist das berechtigt?
Das ist schwer einzuschätzen. Beim jüngsten Demokratie-Index rangierte Israel immer noch im Mittelfeld unter den demokratischen Staaten. Sofern man das zum Massstab nimmt. Allerdings ist ganz deutlich spürbar, dass sich der Ton der Debatten verschärft hat und mehr Polarisierung herrscht. Vor allem im rechten Spektrum gibt es immer mehr Stimmen, die zu Gewalt aufrufen; man spricht jetzt auch offiziell von jüdischem Terror. Die Linke nimmt nicht für sich allein in Anspruch, zu wissen, was gut für das Land ist. Damit kommt man im Ausland besser an als zuhause. Viele Israelis würden sich wünschen, dass man die schmutzige Wäsche zuhause wäscht und nicht im Ausland.
Seit Monaten erreichen uns aus Israel Meldungen über eine Zunahme der Gewalt, gerade auch durch rechtsextreme Gruppierungen. Linke oder auch Menschenrechtler werden etwa im Internet an den Pranger gestellt. Wie viel Kritik, auch an der Regierung, ist in dieser Atmosphäre überhaupt noch möglich?
Ich würde schon sagen, dass die Debatten nach wie vor offen ausgetragen werden. Im gesellschaftlichen Klima ist es aber sicherlich schwieriger geworden, linke Positionen zu verteidigen. Das hat natürlich auch mit der Entwicklung in der Region zu tun. Im Volk ist die Ansicht verbreitet, dass die Linken auf sich selbst bezogen sind und die Bedrohung durch Feinde ausblenden oder herunterspielen. Rechtspopulisten und die sehr rechts gerichtete Regierung versuchen das auszunutzen und linke Stimmen in die Enge zu treiben.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.