Es ist ein düsteres Kapitel in der japanischen Geschichte: Hunderttausende Frauen wurden während des Zweiten Weltkriegs entführt und in Bordelle gesteckt. Dort mussten sie den japanischen Soldaten zu Diensten sein.
Ihr Leid wurde nie als solches anerkannt. Japan hatte sich weder bei ihnen entschuldigt, noch ein Unrecht eingestanden. Bis heute: Regierungschef Shinzo Abe wolle sich bei den südkoreanischen Frauen aufrichtig entschuldigen und Geld in einen Fonds einzahlen, wurde in Seoul bekanntgegeben.
SRF News: Ist die Entschuldigung Japans ein grundsätzliches Schuldeingeständnis?
Martin Fritz: Auf den ersten Blick sieht es aus wie eines. So wird man es seitens der südkoreanischen Regierung auch interpretieren. Aber aus japanischer Sicht hat man in der Kernfrage keine Schuld und Verantwortung eingestanden. Es wurde nicht bestätigt, dass die japanische Armee und damit der japanische Staat für dieses Verbrechen verantwortlich war. Dafür gibt es nun einen Fonds, der von Südkorea aufgelegt wird. Das Geld kommt aus Japan.
Welche Bedeutung hat diese Erklärung für Japan?
Aus japanischer Sicht geht es vor allem darum, diesen lästigen, historischen Streit aus dem Weg zu räumen. Premierminister Shinzo Abe verfolgt im Prinzip seit drei Jahren die Strategie, dass man nach vorne blickt. Japan sei ein ganz normales Land, sagt er. Es habe zwar im Krieg ein paar unschöne Dinge gemacht, aber darunter solle man einen Schlussstrich ziehen. Deshalb musste es in der Frage der sogenannten «Trostfrauen» zwangsläufig eine Einigung mit Südkorea geben. Das hat Abe nun umgesetzt.
In Südkorea sind nur noch 49 Opfer aus dieser Zeit am Leben. In China soll es aber mehr als 200'000 ehemals versklavte Frauen geben. Werden nun auch sie nach diesem ersten Durchbruch mit Südkorea rehabilitiert und finanziell unterstützt?
Nein, es geht hier ausschliesslich um diese knapp 50 Frauen aus Südkorea, die sich bisher offiziell zu ihrem Schicksal bekannt und sich selbst organisiert haben. In anderen Ländern gibt es nichts Vergleichbares, auch keine Unterstützung von staatlicher Seite. Insofern ist das ein Einzelfall. Das erklärt auch die kleine Summe in diesem Fonds. Es geht um eine Milliarde Yen. Das sind etwa 8,3 Millionen Franken.
Sie wurden als Minderjährige in Bordelle verschleppt und dort jahrelang täglich zigfach von Soldaten vergewaltigt.
Was waren das für Frauen, die der japanischen Armee zu Diensten sein mussten?
Diese Frauen kamen aus den Ländern, die im Zweiten Weltkrieg von der japanisch-kaiserlichen Armee besetzt wurden. Vor allem aus China, aber auch von den Philippinen, aus Indonesien, Taiwan und eben Südkorea. Ihr Leiden war wirklich unvorstellbar gross. Sie wurden oft als Minderjährige – teilweise mit zwölf, dreizehn Jahren – in Bordelle verschleppt und dort jahrelang täglich zigfach von Soldaten vergewaltigt. In Japan werden sie beschönigend «Trostfrauen» genannt. Dies, weil sie den durch den Krieg gestressten Soldaten Trost spendeten. Das ist eine sehr zynische Bezeichnung. Das zeigt auch schon, dass man die Verantwortung für dieses Kriegsverbrechen einfach leugnen wollte. Es gibt sicherlich noch viel mehr überlebende Sexsklavinnen als diese knapp 50 in Südkorea, aber viele Frauen haben sich aus Scham nie gemeldet und haben die Sache einfach totgeschwiegen.
Wird dieses Entgegenkommen Japans den Frauen in Südkorea helfen, das begangene Unrecht hinter sich zu lassen?
Es wird zwei Reaktionen geben. Einerseits werden sie jubeln, dass die japanische Regierung endlich ihr Leiden anerkennt und auch finanziell dafür geradesteht. Andererseits hat Japan eben nicht eingestanden, dass es sich bei der Versklavung um ein vom Staat begangenes Kriegsverbrechen handelt. Und genau so ein Eingeständnis hätten sich viele Frauen gewünscht. Es wird einen kleinen Lackmustest geben, denn vor der japanischen Botschaft in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul haben diese Frauen als Denkmal für ihr eigenes Schicksal eine kleine Bronzefigur errichtet. Sie wollten Japan damit auch politisch unter Druck setzen. Man darf jetzt gespannt sein, ob die südkoreanische Regierung dieses nicht genehmigte Denkmal nun wegräumen lässt, so wie es Japan schon lange fordert.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.