Am Anfang stand ein Satz des Präsidenten, ausgesprochen in Versailles vor dem Kongress, nur drei Tage nach den Terroranschlägen in den Strassen von Paris mit 130 Toten. Ein Satz voller politischem Kalkül: «Wir müssen in der Verfassung festschreiben, dass wir Terroristen, welche sich gegen die Republik wenden, die französische Staatsbürgerschaft aberkennen können.»
Das Satz war Teil einer Rede voller martialischer Töne und hatte nur ein Ziel: Politisch die Reihen zu schliessen, im Kampf gegen den Terrorismus. Darum nahm Hollande ein altes Anliegen der bürgerlichen Opposition auf sowie der extremen Rechten, um sie ruhig zu stellen.
Die Linke, Hollandes Linke, staunte, machte die Faust im Sack. Die Rechte applaudierte. Alle stimmten die Marseillaise an. Hollande sah sich schon am Ziel. Politisch hatte er aber falsch kalkuliert. Es folgte eine öffentliche Debatte, die klar machte, dass ein politisches Fiasko droht. Hörbar heute im Parlament.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Cécile Duflot, Fraktionspräsidentin der Grünen, einmal Verbündete Hollandes, nimmt heute kein Blatt mehr vor den Mund: «Wir hätten uns das alles sparen können, Frankreich braucht weder einen Ausnahmezustand, noch die Möglichkeit, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.»
Politiker, links, rechts, Zentristen, Staatsrechtler, Intellektuelle – viele sind der Meinung, dass das französische Grundrecht keine Widersprüche enthalten darf: Vor dem Gesetz sind alle gleich, Artikel 1 der geltenden Verfassung.
Bürgerliche Zurückhaltung
Der Premierminister Manuel Valls hält dagegen. Die ausserordentliche Situation, in der sich Frankreich befinde, erfordere ausserordentliche Massnahmen: «Der Entzug der Staatsbürgerschaft ist eine kollektive Antwort aller Franzosen gegenüber jenen Franzosen, die sich gegen die Republik wenden.»
Die bürgerliche Rechte hält sich in der Debatte auffallend zurück, schaut lieber zu, wie sich die Linke aufreibt. Die Mehrheit der Abgeordneten der konservativen Opposition trat schon gar nicht vors Mikrofon.
Christian Jacob, von Sarkozys Les Républicains, will die Debatte nur hämisch kommentieren beim Hinauslaufen aus dem Parlament. «Die Linke formuliert den Text alle zwei Tage um. Warten wir ab, bis sie sich einig sind. Dann entscheiden wir, wie wir abstimmen.»
Hollande droht erheblicher Schaden
Niemand kann heute sagen, ob der Präsident je eine Mehrheit findet für die von ihm ausgeheckte Verfassungsänderung. Er bräuchte hierfür drei Fünftel aller Stimmen in beiden Parlamenten. Möglich, dass die verfassungsgebende Versammlung in Versailles gar nie stattfinden wird.
Der Schaden für Hollande wäre immens. Es wäre der Beweis, dass der Präsident mit seinen politischen Winkelzügen das Land nicht einigen konnte, sondern es noch mehr spaltet.