«Dieser Bande werden wir mit Gebetszirkeln und Transparenten nicht beikommen», erklärte Joschka Fischer vergangene Woche. Die Wortmeldung des ehemaligen deutschen Aussenministers liess aufhorchen – und weckte Erinnerungen. 1999 legitimierte der im Polit-Ruhestand befindliche Grünen-Politiker – gegen heftigsten Widerstand aus den eigenen Reihen – die deutsche Beteiligung am Nato-Kampfeinsatz im Kosovo: «Ich stehe auf den Grundsätzen: nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Alles gehört bei mir zusammen.»
Steinmeier: Untätigkeit kann zu Schuld werden
Fischer umriss mit seinen Worten das Dilemma, das auch in diesen Tagen die deutsche Politik umtreibt: Kann das weltpolitische Schwergewicht Deutschland, 75 Jahre nach den Gräueln des Nationalsozialismus, zuschauen, wenn unschuldige Zivilisten zu Abertausenden gemordet werden?
Frank-Walter Steinmeier, Deutschlands derzeitiger Aussenminister, fand auf diese Frage eine klare Antwort: «Es gibt Situationen, in denen kann man sich durch Unterlassen ebenso schuldig machen wie durch Tun», liess er zu Wochenbeginn verlauten.
Bündniszwänge und historische Verantwortung
Nach wochenlangem Navigieren ist für die Bundesregierung klar: Dem blutrünstigen Gebaren der Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) kann auch Deutschland nicht länger untätig zusehen. Innert Wochenfrist soll genaueres zu Form und Inhalt der Exporte folgen. Die Bundesregierung schliesst sich damit Frankreich und Grossbritannien an, die diesen Schritt bereits im unmittelbaren Gefolge der US-Offensive getan hatten.
Was für Grossbritannien und Frankreich eine Episode militärischen Eingreifens bleibt, darf für den deutschen Sonderfall als Zeitenwende bezeichnet werden. Brach Nato-Mitglied Deutschland mit den Bundeswehr-Einsätzen im Kosovo und in Afghanistan mit dem Dogma «kein militärisches Engagement auf fremdem Territorium», wankt nun die zweite Säule des deutschen Pazifismus: «Kein Waffenexport in Krisengebiete».
Eine Neudefinierung der deutschen Aussenpolitik?
Dies, nur wenige Wochen nachdem sich der Furor von Teilen der deutschen Polit- und Medienlandschaft über Joachim Gauck ergossen hatte. Mit Blick auf die schwelenden Krisen in der Welt hatte der deutsche Bundespräsident angemahnt, der Einsatz militärischer Gewalt dürfe nicht «von vornherein ausgeschlossen» werden.
Es gehe nicht um «deutsches Dominanzgebaren», sondern um Deutschlands Verantwortung als «verlässliche Demokratie und Rechtsstaat.» Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte sich wiederholt für eine Neudefinierung der deutschen Aussenpolitik stark gemacht, die ohne Denkverbote auskommt.
Einmischung mit Folgen
Mit dem Entscheid, Waffen in den Irak zu liefern, betritt Deutschland sicherheitspolitisches Neuland. Kanzlerin Merkel kündigte an, man werde sich vor allfälligen Waffenlieferungen «gründlich mit Bündnispartnern» beraten. Nicht ohne Grund: Wie das Beispiel des «Islamischen Staats» zeigt, der mittlerweile mit hochmodernem Militärgerät aus US-Beständen hantiert, können Waffen dem Feind in die Hände fallen.
Auch der designierte Adressat ist nicht unumstritten: Die Kurden trachten im Mittleren Osten grenzübergreifend nach einem eigenen Staat. Ihr militärisches Erstarken gefährdet mittelfristig nicht nur die territoriale Integrität des Iraks, sondern dürfte auch für Deutschlands Nato-Partner Türkei Unbill bedeuten.