Am deutlichsten sagte es diese Woche der ehemalige konservative Verteidigungsminister Mikael Odenberg in einer Debatte des schwedischen Fernsehens: «Jetzt hat Russland sein wahres Gesicht gezeigt. Das Land kümmert sich einen Deut um das Völkerrecht und die Interessen benachbarter Staaten. Das muss Konsequenzen für unsere Armee haben.»
Odenberg war vor sieben Jahren von Regierungschef Fredrik Reinfeldt entlassen worden. Der Grund: Odenberg hatte sich gegen die Neuausrichtung der schwedischen Sicherheitspolitik nach dem Ende des Kalten Krieges ausgesprochen.
Von der Wehrpflicht zum Profiheer
Schweden verfügte einst über eines der grössten stehenden Heere der Welt mit Hunderttausenden von Soldaten. Das Land baute seine Armee in den letzten zwanzig Jahren radikal um und modernisierte Waffen und Fahrzeuge. Die schwerfällige Armee mit Wehrpflichtigen wurde durch ein flexibles Profiheer abgelöst. Neu fokussierte es in erster Linie auf internationale Einsätze.
Überall im weitläufigen Land, das zehn Mal so gross ist wie die Schweiz, wurden Armeestandorte geschlossen. Zehntausende von Angestellten verloren ihren Job. Deshalb stehen nun plötzlich sowohl linke Gewerkschafter wie auch rechtsbürgerliche Armeefreunde gemeinsam auf die Barrikaden. Sie fordern vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine und des russischen Vorgehens auf der Krim eine Rückkehr zum alten Verteidigungsmodell.
Kampfflieger sind stationiert
Dazu gehört namentlich eine ständige Präsenz von Truppen auf der zu Schweden gehörenden Ostseeinsel Gotland, wenige hundert Kilometer vor der Grenze zu Russland. «Gotland ist für uns von entscheidender Bedeutung, wenn es zu einer Krise im Baltikum käme. Denn über Gotland würde Schweden die Unterstützung für die baltischen Staaten organisieren. Deshalb stünde Gotland auch schnell im Kreuzfeuer jener Kräfte, die eine solche Hilfe verhindern möchten», sagte der liberale Sicherheitspolitiker Allan Widman kürzlich im schwedischen Radio.
Als eine erste Reaktion hat die schwedische Armeeführung in den letzten Tagen mehrere Kampfjets des Typ Jas Gripen auf der Ostseeinsel stationiert – damit soll der Luftraum zu Russland besser überwacht werden.
Krim hat Einfluss auf Schwedens Sicherheitspolitik
Widmans Partei gehört zur bürgerlichen Vierparteienregierung, die Schweden seit bald acht Jahren regiert. Er fordert seit langem einen Nato-Beitritt des neutralen Landes. Sowohl diese Forderung wie auch die nach einer Rückkehr zu einem Massenheer mit Wehrpflicht sind allerdings in Schweden im Moment wenig konsensfähig – nicht zuletzt auch aus finanziellen Gründen.
Trotzdem gerät nun die konservative Verteidigungsministerin Karin Engström von allen Seiten unter Druck. In einem Interview des schwedischen Radios gab Engström kürzlich ihrem entlassenen Vor-Vorgänger Mikael Odenberg mindestens teilweise recht und betonte, dass die Ereignisse in der Ukraine und auf der Krim für die schwedische Sicherheitspolitik Konsequenzen haben wird – unklar ist jedoch welche.