«Jedes dritte Kind ist ernsthaft unterernährt und 250'000 sind vom Hungertod bedroht», stellt die UNO in einem Bericht fest. Die Zahlen alarmieren. Doch sie sind nur ein weiterer trauriger Höhepunkt einer humanitären Katastrophe, die zur Konstante im bürgerkriegsgeplanten Land geworden ist.
Seit der Loslösung vom Sudan im Jahr 2011 leidet der Südsudan unter der Gewalt bewaffneter Gruppen. Ende 2013 mündete der Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Stellvertreter Riek Machar in einem Bürgerkrieg. Die auch ethnisch motivierte Gewalt wird zunehmend zum Selbstzweck, ist dem Bericht zu entnehmen.
Die Kriegsparteien hätten bei den jüngsten Kämpfen in grossem Umfang Häuser in Brand gesteckt, Schulen und Spitäler zerstört, massenhaft Vieh gestohlen und Infrastruktur etwa zur Trinkwasserversorgung zerstört. Kurzum: «Sie geben sich keine erkennbare Mühe, zwischen militärischen und zivilen Zielen zu unterscheiden.»
Krise als Normalzustand
Beobachter seien nicht weiter überrascht ob dieser Entwicklungen, sagt SRF-Afrikakorrespondent Patrik Wülser: «Das Land befindet sich seit seiner Gründung in einer Dauerkrise: Phasen von fragilem Frieden wechseln sich ab mit Bürgerkrieg. Gegen zwei Millionen Menschen wurden intern vertrieben, bis zu vier Millionen leiden an Hunger.» Nach UNO-Angaben wurden in dem Konflikt bereits zehntausende Menschen getötet.
So erschreckend die nackten Zahlen sind, so bescheiden ist die weltweite Wahrnehmung des humanitären Dramas: «Das Communiqué der UNO ruft nur den Alltag im Südsudan ins Bewusstsein», so Wülser. Zahlreiche durch Nachbarländer initiierte Friedensabkommen versandeten, auf dem internationalen Radar wird das Krisenland Südsudan nur wenig wahrgenommen.
Wenn Helfer zu Gejagten werden
Wie zerfahren die Lage ist, belegen die Versuche der UNO, der hungernden Bevölkerung zu helfen. Über die kenianische Hafenstadt Mombasa gelangen die Hilfsgüter mühselig über Naturpisten in die Hauptstadt Juba. Dort angekommen, wird die Verteilung der Nahrungsmittel zur Gefahr für die Helfer selbst:
«In der Regenzeit versinken die Lastwagen im Schlamm, die Reise in den Norden des Landes kann sechs bis sieben Wochen dauern – und das durch Rebellengebiete, die nicht mehr unter staatlicher Kontrolle stehen.»
Die UNO stützt Wülsers Schilderungen in ihrem Bericht: Mehr als ein Dutzend Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet sowie Hilfskonvois überfallen worden. Die Täter kämen ungestraft davon.
Bei vernünftiger Regierungsführung und Frieden würde es eine Lebensgrundlage geben.
«Vor sechs Monaten haben wir gedacht, die Gewalt und das Leiden haben einen Höhepunkt erreicht und dass der Frieden kommt. Wir haben uns getäuscht», bilanziert der UNO-Koordinator für humanitäre Hilfe im Südsudan, Toby Lanzer. Hat sich der Südsudan in Rekordgeschwindigkeit zu einem «failed state», einem gescheiterten Staat, entwickelt?
Ein Staat auf sandigem Fundament
«Es ist immer einfach, aus der Zukunft die Vergangenheit zu kritisieren», sagt Wülser. Der Staat sei vom Sudan völlig vernachlässigt worden und praktisch ohne Infrastruktur in die Unabhängigkeit gegangen. «Andererseits ist der Südsudan reich an Öl und fruchtbaren Böden – bei vernünftiger Regierungsführung und Frieden würde es eigentlich eine Lebensgrundlage geben.»
Doch bei der weltweit umjubelten Gründung des Südsudan gab es Fehlkonstruktionen. «Viele Fragen wurden nicht gelöst: Wer kommt an die Macht, wie wird sie geteilt?» Antworten suchen die Konfliktparteien seit Jahren mit Waffengewalt. Ein tragfähiger Frieden ist nicht Sicht.
Es bleibt, wie Wülser aus dem benachtbarten Kenia feststellt, wenig Hoffnung auf Besserung: «Wenn man den Südsudan beobachtet, wird man eigentlich immer pessimistischer.»