SRF: Derzeit läuft ein Ultimatum der internationalen Gemeinschaft; die beiden Kriegsparteien sollen sich einigen. Könnte es dieses Mal funktionieren?
Patrik Wülser, SRF-Afrika-Korrespondent: Die Vergangenheit stimmt nicht sehr optimistisch. Es kam bereits zu verschiedenen Waffenstillständen und Friedensabkommen. Die wurden in den vergangenen Monaten immer wieder nach kurzer Zeit gebrochen. Deshalb bin ich auch bei diesem Ultimatum nicht sehr optimistisch.
Es gibt zwar neue Druckmittel, etwa Reisebeschränkungen für die Familien der zwei Kontrahenten, Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar. Auch wurden Bankkonten eingefroren. Aber man darf nicht vergessen, für die Südsudanesen geht es nicht nur darum, ob die beiden Frieden schliessen, sondern was mit dem restlichen Land passiert. Es geht um zwölf Millionen Menschen und nicht nur um die zwei Stämme, die sie repräsentieren, die Dinkas und die Nuers, sondern auch um 62 andere.
Ist denn eigentlich klar, wer von den beiden die Macht hat im Südsudan?
Offiziell ja. Wenn man durch die südsudanesische Hauptstadt Juba fährt, wird es auf Plakaten verkündet: Der einzig legitime Präsident ist Salva Kiir. Schon allein die Tatsache, dass er das schriftlich auf Plakaten der Öffentlichkeit mitteilen muss, zeigt, dass es nicht so sicher ist. Aber Kiir ist offiziell und von der Weltgemeinschaft anerkannt. Er ist immer noch der Präsident des Südsudans. Allerdings ist sein Einfluss beschränkt; auch territorial.
Bei diesem Konflikt geht es um die Hoheit über das Öl. Kann das überhaupt noch fliessen, wenn Bürgerkrieg herrscht?
Das Öl fliesst zurzeit. Die Ölfelder sind nur am Rande betroffen. Es geht bei diesem Konflikt um Einfluss. Wer die Macht hat, hat auch die Einnahmen des Erdöls. Das sind je nach Schätzungen zwischen zwei und drei Milliarden Dollar jährlich. Dieses Geld fliesst aber nicht in Infrastrukturen oder in die allgemeine Wohlfahrt, sondern versickert in privaten Taschen.
Und wer profitiert davon, Salva Kiir oder Riek Machar?
Wenn man sich in Juba umhört, ist klar, dass Kiir, seine Familie, sein Clan und seine Ethnie, die Dinkas, an der Macht sind. Die bevölkern auch die Ministerien und die Ämter. Die sind nahe an der Kasse. Die restlichen Ethnien gehen leer aus.
Zu allem droht der Bevölkerung auch noch eine grosse Hungersnot. Kann denn die internationale Gemeinschaft diese Hungersnot auffangen?
Man versucht bereits jetzt, dieser Hungerkrise zu begegnen. In Juba gibt es riesige Lagerhäuser der UNO-Welternährungshilfe. Dort werden Getreidesäcke abgefüllt. Wegen des Bürgerkriegs konnten die Felder nicht bestellt werden und jetzt ist Regenzeit. Im Dezember sollte man ernten.
Man rechnet damit, dass 30 bis 40 Prozent der Ernte ausfallen und vier Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sein werden. Die UNO liefert zwar Getreide. Das wird mit Flugzeugen abgeworfen. Aber die Verantwortlichen der UNO in Juba sagen, es gebe momentan auf dem Kontinent viele Krisen. Die bekannteste ist die Ebolakrise an der Westküste. Diese Krisen konkurrieren sich gegenseitig. Die UNO muss um Aufmerksamkeit kämpfen, damit sie all diese Krisen überhaupt bewältigen kann. Zurzeit ist man pessimistisch, ob man bis im Dezember genügend Nahrungsmittel zusammenbekommt, um die dann auch verteilen zu können.
Das Interview führte Anna Lemmenmeier.