SRF: Ist mit den neuen Sanktionen zu erwarten, dass Russland in den Ukraine-Konflikt einlenkt?
Christof Franzen in Moskau: Ich glaube, es wird sich nichts Grundsätzliches an der Politik des Kremls ändern. Wir haben das ja bei den bisherigen Sanktionen schon gesehen: Ein paar zusätzliche Personen werden mit einer Einreisesperre belegt und es werden ein paar Konten eingefroren. Verschiedene Rohstofffirmen oder Finanzinstitute können sich dann nicht mehr auf dem europäischen Kapitalmarkt finanzieren. Das sind aber nicht die radikalen Sanktionen, die jetzt kurzfristig eine Änderung der Kremlpolitik aufdrängen würden.
Bisher hat Putin ja die Folgen der bisherigen Sanktionen immer heruntergespielt. Wie hart würden denn die neuen verschärften Sanktionen Russland treffen?
Kurzfristig kann Russland solche Sanktionen einstecken. Das Land hat hunderte von Milliarden an Währungsreserven. Der Ölpreis ist nach wie vor relativ hoch. Russland kann sich kurzfristig zum Beispiel auf dem asiatischen Markt finanzieren. Mittel- und langfristig sind die Sanktionen aber sehr schädlich für das Land. Das Investitionsklima hat stark gelitten und Russland ist abhängig von ausländischen Investitionen. Das gibt die Regierung langsam zu. Inzwischen gibt es Preissteigerungen. Die Inflation dürfte bis Ende Jahr bis zu acht Prozent steigen. Die Wirtschaft wächst aber überhaupt nicht. Früher oder später wird sich das auf den Wohlstand der Bevölkerung auswirken.
Russland hat schon angedroht, auf diese Sanktionsrunde wieder mit Gegenmassnahmen zu reagieren. Weiss man da schon mehr?
Der russische Premierminister Dmitri Medwedew hat gestern gesagt, man überlege sich, den europäischen Staaten, allenfalls auch den Amerikanern, die Überflugrechte der Fluggesellschaften über Russland zu streichen. Das gäbe längere Flugzeiten und mehr Kosten für Treibstoff. Medwedew meint, das könnte die eine oder andere Fluggesellschaft in den Bankrott treiben.
Das Interview führte Barbara Peter.