Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wählen die Libyer und Libyerinnen ein neues Parlament. In der Hauptstadt Tripolis bildeten sich nach Angaben staatlicher und unabhängiger libyscher Medien lange Schlangen vor den Wahllokalen. Dies, obschon sich nur vergleichsweise wenige Bürger für die Wahlen eingeschrieben hatten.
Die Sicherheitslage am Wahltag ist angespannt. Bis am frühen Nachmittag gab es jedoch keine Meldungen über gewaltsame Zwischenfälle. Im östlichen Bengasi – wo es zuletzt am meisten bewaffnete Auseinandersetzungen gab – ist die Wahlbeteiligung gering. Weiter östlich in Derna kann aus Sicherheitsgründen gar nicht gewählt werden. Im Süden des Landes haben zudem einige Stämme zum Wahlboykott aufgerufen.
Mässige Wahlbeteiligung
Für den Gang zur Urne haben sich 1,5 Millionen Wähler registrieren lassen. Das sind deutlich weniger als noch vor zwei Jahren. Damals hatten sich 2,7 Millionen Libyer zur Stimmabgabe gemeldet. Insgesamt kämpfen 1628 Kandidaten um einen der 200 Sitze im Parlament. Erste Ergebnisse sind innerhalb einer Woche zu erwarten.
Seit dem Sturz des ehemaligen Diktators Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 wählen die Libyer bereits zum zweiten Mal eine neue Legislative. Der bisherige Allgemeine Nationalkongress war von der islamistischen Muslimbruderschaft dominiert. Parlamentsinterne Grabenkämpfe und die Duldung von Milizen liessen die Autorität des Gremiums schrumpfen.
Wahl ohne Parteien – aber mit Frauenquote
Um künftig politische Spannungen zu vermeiden, treten diesmal nur unabhängige Kandidaten an. Entsprechend gibt es auch keine Parteilisten – die Menschen wählen deshalb jene, die sie kennen. Der «Europäische Rat für Auswärtige Beziehungen» sieht darin eine Gefahr: «Die Abwesenheit politischer Blöcke könnte zur Wahl lokaler Führer ohne klare Zugehörigkeiten führen.»
«Libyen ist eines der konservativsten Länder der Region», sagt Sonja Zekri zu SRF. Sie ist Korrespondentin des «Tages-Anzeigers». Trotzdem gebe es eine Frauenquote bei der Parlamentswahl: 32 von insgesamt 200 Sitzen sind für Libyerinnen reserviert. «Das ist nicht viel, aber es ist das, was momentan möglich ist.»
Ob mit der Wahl eine neue Phase im Übergang zur Demokratie beginnt, ist auch für die Kennerin Libyens fraglich. «Wahlen allein bringen keine Stabilität», sagt Zekri. Der Einfluss der Regierung im Land ist beschränkt und Machtkämpfe zwischen verfeindeten Milizen und Clans blockieren das Land nach wie vor.