Nach dem Brexit-Votum der Briten, bei der Labour schmähliche Niederlagen in vielen ihrer traditionellen Wählerstammlanden erlitt, stehen die Zeichen in der Partei nun auf Machtkampf: Gleich acht Mitglieder haben das Schattenkabinett von Oppositionsführer Jeremy Corbyn am Sonntag verlassen. Schattenaussenminister Hilary Benn wurde von Corbyn gefeuert, weil er die Führungsqualitäten des Parteichefs offen anzweifelte.
Das prominente und langjährige Parteimitglied Benn hatte zur BBC gesagt, dass es innerhalb der Partei keine Zuversicht gebe, dass Labour Parlamentswahlen gewinnen könne, solange Corbyn an der Spitze bleibe: «Er ist ein guter und anständiger Mann. Aber er ist kein Leader», so Benn.
Schattengesundheitsministerin Heidi Alexander erklärte aus Protest auf den Rauswurf Benns ihren Rücktritt. Eine Veränderung an der Spitze der Partei sei nötig, begründete sie den Entscheid: «So sehr ich Sie als einen Mann der Prinzipien respektiere, glaube ich nicht, dass Sie die Fähigkeit haben, die Antworten zu finden, die unser Land braucht», schrieb Alexander in einem Brief an Corbyn.
Ebenso erklärten Gloria de Piero, Lucy Powell, Ian Murray und Kerry McCarthy ihren Rücktritt aus dem Schattenkabinett. Medienberichten zufolge haben Lilian Greenwood und Seema Malthora den gleichen Schritt vollzogen.
Laut BBC könnte die Hälfte von Corbyns 25-köpfigem Schattenkabinett zurücktreten, um den Druck auf den Oppositionsführer zu erhöhen. Am Montagabend wollen die Labour-Abgeordneten zusammentreffen, um die Führungsfrage zu erörtern.
Corbyn will bleiben
Der 67-Jährige Corbyn singnalisierte aber, dass er nicht an einen Rücktritt denke. Schatten-Kanzler John McDonnell, einer der engsten Vertrauten Corbyns, meinte, der Parteichef denke nicht daran, den Hut zu nehmen. «Jeremy geht nirgendwo hin», sagte er. Schliesslich sei er erst vor neun Monaten in einer Urwahl bestimmt worden.
Corbyn gilt als ausgesprochener Linker in der Partei und als früherer Parteirebell – er hat seit langem viele Kritiker in Partei und Fraktion. Wahlanalysen hatten ergeben, dass viele Labour-Hochburgen vor allem in Nordengland für einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt hatten. Corbyn hatte den Ausstieg aus der EU nur halbherzig bekämpft.
Wenige Tage vor dem Referendum sagte er bei einem TV-Auftritt: «Ich bin kein Liebhaber der Europäischen Union», er plädiere aber für «Drinbleiben». Corbyn fügte hinzu: «Wenn wir in der EU bleiben, muss sie sich dramatisch ändern.» Beim britischen EU-Referendum 1975 hatte Corbyn gegen den Beitritt gestimmt.
Der konservative Premierminister David Cameron hatte nach dem Votum der Briten für einen EU-Austritt seinen Rücktritt für Oktober angekündigt. Damit werden auch baldige Neuwahlen wahrscheinlich.