Die Bilder von damals – die Menschen, die in Ungarn die grüne Grenze nach Österreich überquerten oder über die Mauer in Berlin kletterten und den anderen Deutschen um den Hals fielen – diese Bilder sind unvergesslich. Und das Gefühl von damals, François Mitterrand umschrieb es so: «Wir wollen, dass es weiter geht – unser Hunger nach Veränderung ist noch nicht gestillt».
Damals hatten die Europäer in Ungarn, Polen und der DDR nach wochenlangen Demonstrationen ihre Regierungen gezwungen, die Grenzen Richtung Westen zu öffnen. In anderen Ländern, in Rumänien etwa, passierte noch gar nichts – so fuhr Mitterrand fort: «Das rumänische Volk hören wir noch nicht, weil es noch immer unterdrückt wird, aber die Stille hören wir gleichwohl, weil sie einen enormen Lärm verursacht», sprach Mitterrand mit Gravitas.
Die Hauptfigur damals: Helmut Kohl
Doch Helmut Kohl war die Hauptfigur. Mit dem Fall der Mauer stand die Deutsche Frage wieder ganz oben auf der Traktandenliste. Auch die Frage, ob ein vereintes Deutschland zu mächtig ist für Europa oder nicht. Kohl war bemüht, solchen Ängsten mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten: «Es geht um eine Zukunft in gemeinsamer Freiheit für alle Deutschen und für alle Europäer. Lassen Sie uns in diesem Geiste gemeinsam für eine gerechte und dauerhafte Friedensordnung für ganz Europa arbeiten.»
Die weitere Geschichte ist bestens bekannt – Mitterrand sagte Ja zur Wiedervereinigung der DDR und der BRD – dafür sagte Kohl Ja zur gemeinsamen europäischen Währung, dem Euro – es war dieses Tandem, welches die EU entscheidend vorwärts brachte.
Und heute? Angela Merkel
Die Flüchtlingskrise verändert für Merkel die Mission ihrer Europapolitik. Mitterand und Kohl wollten Europa einen – Merkel muss zu einem Minimum an Solidarität ermahnen: «Diesen Menschen wieder ein menschenwürdiges Leben in ihrer Heimat zu ermöglichen, ohne dass sie in Angst und Schrecken vor Bomben und Terror erstarren müssen, das zu schaffen ist eine europäische und letztlich eine globale Aufgabe.»
Merkel wurde während der Finanz- und Griechenlandkrise vorgeworfen, sie sei keine echte Europäerin, rücke deutsche Interessen zu stark in den Vordergrund – heute vor dem EU-Parlament tritt sie als überzeugte Europäerin auf – in einer Krise, bei welcher die EU vor allem gegen aussen Einheit demonstrieren muss.
Und François Hollande? Auch er ist überzeugt, dass die EU-Länder nur gemeinsam die Flüchtlingskrise bewältigen können. Frankreich bleibt Deutschlands wichtigster Partner. Doch Deutschland hat das Sagen – stärker noch als zu Mitterands und Kohls Zeiten.