Die gestrigen Neuwahlen in Spanien haben nicht viel zur Klärung der Machtverhältnisse beigetragen. Wie schon nach dem Urnengang im Dezember letzten Jahres zeigt sich ein sehr zersplittertes Bild. Die Bildung einer halbwegs stabilen Regierung bleibt damit äusserst schwierig.
Zwar vermochte sich die konservative Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy als stärkste Kraft im Madrider Abgeordnetenhaus zu behaupten und konnte ihre Sitzzahl sogar um 14 Mandate geringfügig ausbauen.
Damit bleibt sie aber immer noch weit unter dem absoluten Mehr von 176 der 350 Abgeordneten. Rajoy wird als Vertreter der stärksten Fraktion zwar als Erster von König Felipe VI mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt werden. Er bleibt aber auf einen oder mehrere Koalitionspartner angewiesen, den er aber schon nach der letzten Wahl nicht fand.
Am plausibelsten wäre auf dem Papier eine grosse Koalition nach deutschem Vorbild mit den zweitplatzierten Sozialisten, die sich einem solchen Ansinnen aber bisher hartnäckig verweigern. Darüber reden will Parteichef Pedro Sanchez erst, wenn die Konservativen ihre korrupte alte Garde rund um Rajoy in die Wüste schicken. Danach sieht es aber vorerst nicht aus, auch wenn es hinter den Kulissen der Volkspartei vor allem unter den jüngeren Mitgliedern spürbar rumort.
Rechtsliberale enttäuscht
Die neue rechtsliberale Partei Ciudadanos von Albert Rivera schnitt erneut unter ihren Erwartungen ab und vermag mit ihren noch 32 Vertretern Rajoy nicht die nötige Mehrheit zu sichern.
Die linksradikale Bewegung Podemos wiederum scheiterte mit ihrem Vorhaben die Sozialisten vom zweiten Platz zu verdrängen, obwohl sie sich diesmal mit Kommunisten und Grünen zusammen getan hatte. Damit ist auch der Traum einer Links-Koalition mit den Sozialisten unter Führung ihres Chefs Pablos Iglesias ausgeträumt.
Ein solche Koalition hätte wohl nur Chancen, wenn beide Parteien auf einander zugingen. Dazu aber zeigten sie bisher wenig Bereitschaft. Als Sozialistenchef Sanchez sich im Februar für ein Dreierbündnis mit Ciudadanos und Podemos stark machte, erhielt er von Podemos einen Korb und scheiterte mit seiner Kandidatur im Parlament kläglich.
Lange Verhandlungen absehbar
Unter diesen Vorzeichen ist somit mit wochen- oder gar monatelangen Verhandlungen über alle möglichen Regierungsformeln zu rechnen, was der Stabilität der Verhältnisse in Spanien höchst abträglich ist. Zumal sich das Land eben erst von einer jahrelangen Wirtschaftskrise erholt.
Auch auf europäischer Ebene dürfte das spanische Wahlergebnis für zusätzliche Verunsicherung sorgen, droht es doch das Gespenst einer südeuropäischen Schuldenkrise wieder aufzuscheuchen. Wie das bereits seit letztem Oktober von einer Links-Koalition regierte Portugal ist Spanien mit dem Abbau seines Haushaltsdefizits erneut in Verzug geraten und deswegen von Brüssel jüngst wieder gerügt worden.