Nach den ersten freien Wahlen in der einstigen Militärdiktatur Burma seit 25 Jahren liegt die oppositionelle Nationale Liga für Demokratie (NLD) mit mehr als 70 Prozent der Sitze in Führung.
Die offiziellen Schlussresultate liegen zwar noch nicht vor aber auf Burmas Strassen wird schon mal gefeiert, beschreibt SRF-Korrespondentin Karin Wenger die Lage in Rangun.
Ein Erfolg von Aung San Suu Kyi hätte aber einen Hacken. Der Mann der Friedensnobelpreisträgerin besitzt einen britischen Pass, deshalb kann sie nicht Präsidentin werden. Die mutmassliche Wahlsiegerin scheint das aber egal zu sein. Sie wolle ungeachtet des Präsidenten Entscheidungen fällen, sagt Karin Wenger.
Eine nötige Verfassungsänderung dürfte es aber im Parlament mit den Vertretern der Armee schwierig haben. Dennoch bezeichnet Karin Wenger den Ausgang der Wahlen als historisch und es zeige, dass die Bevölkerung einen Wandel hin zur Demokratie wolle.
Wir haben verloren.
Als prominentestes Mitglied der militärnahen Regierungspartei USDP räumte Parlamentssprecher Shwe Mann seine Niederlage gegen den NLD-Kandidaten ein. In gleicher Weise äusserte sich auch der amtierende Chef der Solidaritäts- und Entwicklungspartei Htay Oo. «Wir haben verloren», räumte Oo ein. Seine Partei werde den Ausgang der ersten freien Wahl seit 25 Jahren akzeptieren. Wie dieser Ausgang aussehen wird, zeichnet sich immer deutlicher ab.
USDP-Chef verliert seinen Sitz
Angaben der Wahlkommission bestätigten den Trend. Alle zwölf Unterhaussitze der Hafenstadt Rangun gingen an NLD-Kandidaten, teilte sie 24 Stunden nach Schliessung der Wahllokale mit. Die Kommission wollte erst am Montagabend erste Ergebnisse präsentieren.
Die USDP hat sämtliche Sitze in der Region des Irrawaddy-Delta verloren. Das Delta galt als eine Machtbasis der Regierungspartei. Auch der Parteichef verlor seinen Sitz, ebenso wie Parlamentspräsident Shwe Mann. «Landesweit gab es mehr Niederlagen als Siege», räumte Htay Oo ein.
Das nationale Parlament hat in zwei Kammern 664 Sitze. Ein Viertel ist dem Militär vorbehalten. Eine Partei muss für eine einfache Mehrheit 67 Prozent der 500 restlichen Sitze gewinnen.
Gerüchte um Manipulationen
Die Wahlkommission will erste offizielle Ergebnisse erst im Laufe des Tages veröffentlichen. Mehrere Parteien protestierten wegen möglicher Manipulationen mit Wahlzetteln von Wählern, die schon vor dem Wahltag abstimmten, sagte der Sprecher der Minderheitenpartei SNLD in der Shan-Region, Sai Leik.
«Zum Beispiel führte der NLD-Kandidat im Wahlkreis Lashio, wo Vizepräsident Sai Maunk Khan antritt, nach Auszählung der Stimmen», sagte er. «Dann tauchten um Mitternacht plötzlich ganz viele Kisten mit vor der Wahl abgegebenen Stimmzetteln auf, die hauptsächlich für die USDP waren. Das ist nach dem Wahlgesetz illegal. Danach sind Stimmen, die nach Schliessung der Wahllokale ankommen, nicht gültig.»
EU-Beobachter zufrieden
Präsident Thein Sein und der Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing haben vor der Wahl versichert, sie würden das Ergebnis anerkennen, wie auch immer es ausgehe.
Die Wahlbeobachter der Europäischen Union waren am Sonntag nach einem ersten Eindruck zufrieden mit der Stimmabgabe. Delegationsleiter Alexander Graf Lambsdorff betonte aber, dass die Wahl mit Schliessung der Wahllokale nicht beendet sei. Überwacht werde auch die Auszählung und die Übermittlung der Ergebnisse. «Die Frage ist, wie die unterlegene Seite mit dem Ergebnis umgeht», meint er.
Bis 2011 Militärdiktatur
Burma war bis 2011 eine Militärdiktatur. Die Junta hielt 2010 umstrittene Wahlen ab, bei denen die USDP die absolute Mehrheit gewann. Die NLD nahm daran nicht teil. Sie hatte bei freien Wahlen 1990 mehr als 80 Prozent der Sitze gewonnen, aber das Militär gab die Macht nicht ab. 2012 beteiligte sich die NLD dann an Nachwahlen und gewann 43 von 45 Mandaten.
Die beiden Parlamentskammern haben zusammen 664 Sitze. Ein Viertel ist für das Militär reserviert. Für eine einfache Mehrheit müsste die NLD 67 Prozent der restlichen Mandate gewinnen.
Präsidentin ohne Mandat?
Suu Kyi, die unter der Junta fast 15 Jahre unter Hausarrest stand, will Regierungschefin werden, wie sie vor der Wahl deutlich machte. Wie genau ist unklar, weil die von der Junta noch verabschiedete Verfassung ihr das Präsidentenamt eigentlich verwehrt.
In Myanmar führt ähnlich wie in den USA der Präsident die Regierungsgeschäfte. Die Verfassung verwehrt das Präsidentenamt jedem, der ausländische Familienmitglieder hat. Suu Kyis Söhne sind wie ihr verstorbener Mann Briten.