Der Streit um den Patentschutz für das Krebsmedikament Glivec ist vorbei. Der oberste indische Gerichtshof hat eine Klage des Schweizer Pharmakonzerns Novartis abgewiesen.
Beim Hauptwirkstoff handle es sich nur um eine neue Version eines bestehenden Wirkstoffs, also um einen sogenannten Evergreen, machte das Patentamt geltend.
Novartis reagiert enttäuscht
«Kurzfristig wird der Gerichtsentscheid wohl keine Auswirkungen für die Patienten in Indien haben, da dort bereits Generika erhältlich sind», so Paul Herrling vom Novartis Tropeninstitut in Singapur. Mittel- und langfristig allerdings würden indische Patienten benachteiligt, da sie weniger Zugang zu neuen Medikamenten haben werden, weil diese in ihrem Heimatland nicht zu schützen seien und sofort straffrei kopiert werden könnten.
Sämtliche Aktivitäten in Indien zu stoppen, käme für Novartis aber dennoch nicht in Frage. «Indien ist momentan das bevölkerungsreichste Land der Welt, es gibt viele Patienten dort und es gibt viele Menschen, die sich unsere Medikamente leisten können», so Paul Herrling. Aber bei Innovationen werde man künftig vorsichtiger sein, diese dort einzuführen – das Gleiche gelte auch für die Errichtung weiterer Forschungszentren in dem Land.
An der Börse von Bombay sind unterdessen die Titel des Pharmakonzerns nach Bekanntgabe des Urteils abgestürzt. Der Kurs sank um 6,8 Prozent auf noch 558,10 Rupien. Das ist der tiefste Stand seit gut einem Jahr.
Zufriedenheit bei NGO
Die Nichtregierungsorganisationen (NGO) Erklärung von Bern (EvB) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) äussern sich zufrieden über das Urteil des Obersten Gerichtshofs in Indien. Dies sei ein bedeutender Sieg für die Kranken in armen Ländern, hiess es bei EvB. Indiens Justiz gebe der Gesundheit der Bevölkerung der Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.
Auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen äussert sich positiv über den Richterspruch. «Die Angriffe von Novartis auf Grundbestandteile des indischen Patentrechtes, das die öffentliche Gesundheit schützt, sind fehlgeschlagen.» Das Urteil verhindere den Missbrauch des Patentsystems durch Firmen, die den Preis senkenden Wettbewerb mit Nachahmermedikamenten blockieren würden.
Erfolgloser Gang durch indische Instanzen
Begonnen hatte der Rechtsstreit um Glivec im Januar 2006, als das indische Patentamt die Patentierung des Novartis-Krebsmedikaments auf dem heimischen Markt verweigerte.
Novartis akzeptierte den Entscheid nicht und zog den Fall vor die nächste gerichtliche Instanz. Auch diese entschied gegen Novartis. Der Basler Pharmakonzern reichte erneut Klage ein und gelangte damit vor den obersten Gerichtshof in Neu-Delhi. Der am 11. September 2012 begonnene Prozess vor dem Supreme Court fand nun im Urteil vom Ostermontag seinen Abschluss.
Für Novartis ging es in dem Rechtsstreit um die Innovationssicherheit seiner Pharmaprodukte auf dem indischen Markt.
Für die ärmeren Bevölkerungsgruppen in Indien und anderen Ländern des Südens hingegen stand der billige Zugang zu Arzneimitteln gegen Krebs und andere chronische Krankheiten wie Tuberkulose oder HIV/Aids auf dem Spiel.