Elf Tote und 25 Verletzte: Das ist die blutige Bilanz eines Selbstmordanschlags auf ein Gericht in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad am Montagmorgen. Noch am Samstag hatten die pakistanischen Taliban einen Waffenstillstand von einem Monat bekannt gegeben. Damit sollten die Friedensverhandlungen, die im Januar begonnen hatten, Aufwind bekommen.
Am Gericht in Islamabad herrschte kurz nach neun Uhr morgens Ausnahmezustand: Zerbrochene Scheiben, blutüberströmte Anwälte, ein toter Richter. Er habe drei oder vier Explosionen gehört, sagt der Anwalt Javaid Iqbal dem Nachrichtensender Reuters: «Alle Richter und Anwälte rannten um ihr Leben. Wir hörten die Angreifer rufen: Allahu Akbar, Gott ist der Grösste. Da wussten wir: Das ist ein Angriff der Taliban. In dem Moment stiessen bewaffnete Männer die Tür auf und begannen zu schiessen.»
Taliban dementieren Angriff
Die Pakistanischen Taliban, Tehreek-e-Taliban Pakistan, oder kurz TTP, reagierten schnell auf die Anschuldigungen: Sie hätten mit dem Angriff auf das Gericht nichts zu tun, liess Taliban Sprecher Shahidullah Shahid verlauten. Noch am Samstag hatten die TTP eine einmonatige Waffenruhe verkündet und versichert, all ihre Mitglieder unterstützten die Friedensgespräche. Doch diese seien nach dem Anschlag von heute wieder in Gefahr, sagt Rahimullah Yusufzai, ein 60-jähriger hoch geachteter Journalist aus Peshawar.
Rückschlag für Friedensgespräche
Der Angriff zeige: Die Taliban hätten zwar einen Waffenstillstand verkündet, aber die Ankündigung blieb wirkungslos. «Wir wissen zwar nicht, wer hinter dem Angriff steckt, ob es vielleicht doch die Taliban waren oder eine andere militante Gruppe», sagt Yusufzai. Klar ist aber: Der Anschlag bedeutet einen Rückschlag für die Friedensgespräche.
Diese Friedensgespräche hatten erst vor einem Monat zaghaft begonnen. Es handelte sich dabei vorerst lediglich um indirekte Gespräche, bei denen die Taliban und die pakistanische Regierung Verhandlungsteams entsandt hatten. Premierminister Nawaz Sharif zeigte damit jedoch, dass es ihm ernst ist mit seinem Versprechen, den Konflikt mit den Taliban friedlich zu lösen.
Pakistanische Regierung hat lange Wunschliste
Der Journalist und Taliban Kenner Rahimullah Yusufzai ist Teil des Verhandlungsteams der Regierung und war bei den ersten vier Treffen dabei. Die aktuellen Friedensgespräche sind die ersten seit fünf Jahren. Für Yusufzai sind sie ohne Zweifel ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings hätten die Taliban bislang keine konkreten Forderungen gestellt. Die Regierung hingegen fordere, dass die Militanten entwaffnet werden, dass sie aufhören in den Stammesgebieten ein paralleles Regierungssystem und Gerichte zu führen, dass sie keine fremden Kämpfer mehr bei sich verstecken und auch selbst nicht mehr in Afghanistan kämpfen. «Die Wunschliste ist lang», sagt Yusufzai.
Taliban hat keine Macht über militanten Gruppen
Frühere Friedensgespräche sind allesamt gescheitert. Auch diesmal endeten die ersten Gespräche abrupt, nachdem die Taliban vor zwei Wochen 23 pakistanische Soldaten getötet hatten. Das Waffenstillstandsangebot vom vergangenen Samstag sollte die Gespräche neu beleben. Die Taliban-Führung scheint jedoch nicht Herr zu werden über die Dutzenden von militanten Gruppierungen die unter dem Decknamen Tehreek-e-Taliban Pakistan im ganzen Land Angst und Schrecken verbreiten.
Seit 2001 starben Zehntausende von Pakistanern durch Bombenanschläge und Angriffe der Taliban, die die Regierung als unislamisch und eine «Puppe des Westens» beschimpfen. Die pakistanische Armee wiederum schwächte die Taliban bei Vergeltungsschlägen. Mehrere hochrangige Führer der Taliban starben zudem durch Drohnenangriffe der amerikanischen CIA.
Das wahre Interesse der Taliban an Friedensgesprächen
Die pakistanischen Taliban stünden unter enormem Druck, aber ihre wahren Interessen an den Friedensgesprächen seien rein praktischer Natur, sagt Verhandler Yusufzai: «Die Taliban wollen, dass ihre Gefangenen entlassen werden. Sie wollen, dass die Stammesleute und die Kämpfer, die von den Militärschlägen betroffen waren, entschädigt werden und sie wollen auch, dass die Armee aus einigen Stammesgebieten entlang der afghanischen Grenze abzieht.»
All das kam bislang noch gar nicht zur Sprache. Deshalb sagt Rahimullah Yusufzai, der für die Regierung verhandelt: «Wir halten unsere Erwartungen niedrig. Die Friedensgespräche sind ein Versuch.»
Ein Versuch, der durch die Angriffe von heute erneut in Frage gestellt wurde - von wem auch immer.