Nachdrücklich appellierte der Papst in seiner Rede an die EU-Staaten, gemeinsam das Migrationsproblem anzugehen. Sie dürften nicht länger hinnehmen, dass «das Mittelmeer zu einem grossen Friedhof wird». Auf den Kähnen, die täglich an den europäischen Küsten landeten, seien «Männer und Frauen, die Aufnahme und Hilfe brauchen».
Situation fördere Sklavenarbeit
Die EU-Staaten müssten sich angesichts dieser Situation gegenseitig unterstützen anstatt Lösungen anzuregen, welche die Menschenwürde der Einwanderer verletzten und Sklavenarbeit sowie soziale Spannungen förderten.
Die EU könne die mit der Einwanderung verbundenen Probleme nur mit Gesetzen bewältigen, welche die Rechte der europäischen Bürger schützen und zugleich eine Aufnahme der Migranten garantieren, betonte Franziskus. Dazu seien «korrekte, mutige und konkrete politische Massnahmen» notwendig.
Wirtschaftskrise verstärke Einsamkeit
Franziskus rief auch zu einer Rückbesinnung auf die Werte der Europäischen Union auf, zur Achtung der Menschenwürde und zur Solidarität mit den Armen.
Viele Menschen seien heute in Europa einsam, etwa Alte, Arme, Jugendliche ohne Zukunftschancen oder auch Einwanderer, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche vor EU-Abgeordneten in Strassburg. Diese Einsamkeit sei durch die Wirtschaftskrise noch verschärft worden.
Im Zentrum soll der Mensch stehen
Der Mensch müsse wieder in den Mittelpunkt der politischen Debatte gestellt werden, bei der heute technische und wirtschaftliche Fragen vorherrschten, mahnte der 77-Jährige. Ansonsten sei er in Gefahr, zu einem «blossen Räderwerk in einem Mechanismus herabgewürdigt zu werden». Dadurch werde er wie ein Konsumgut behandelt, das «ohne viel Bedenken» ausgesondert werde, wenn es diesem Mechanismus nicht mehr zweckdienlich sei.
Dies sei heute oft zu beobachten, etwa im Falle von Kranken im Endstadium, von verlassenen Alten oder von Kindern, die abgetrieben würden. Diese Tendenz sei das Ergebnis der «Wegwerf-Kultur und des hemmungslosen Konsums», sagte der aus Argentinien stammende Papst.
Nach dem EU-Parlament will der Papst noch den Europarat besuchen, in dem 47 Länder aus Ost- und Westeuropa vertreten sind. Am frühen Nachmittag ist der Rückflug nach Rom geplant.