Polens Regierungschef hat kürzlich eine stärkere Präsenz der Nato in Polen gefordert. Polen gehöre nun seit fünfzehn Jahren dem Verteidigungsbündnis an und die einzige Natopräsenz im Raum sei ein Ausbildungszentrum, merkte er an.
Als ehemaliges Ostblock-Land und als direkter Nachbar Russlands haben die Polen die russische Macht schon immer anders eingeschätzt als die westlichen Nationen. Nicht ganz zu Unrecht, wie sich auch im Alltag zeigt: «Die Russen verlangen von Polen einen höheren Preis für Gaslieferungen als von andern Ländern. Auch haben sie ein Importverbot für polnisches Fleisch erlassen. Und die Aufarbeitung des Flugzeugabsturzes von Smolensk von 2010 geht nicht voran», sagt Marc Lehman, SRF-Osteuropa-Korrespondent. Auf politischer Ebene distanziere sich Premierminister Donald Tusk von Wladimir Putin. Er sei einer seiner schärfsten Kritiker, sagt Lehmann.
Kampfflugzeuge als Zeichen der Solidarität
Bis zu der Krise in der Ukraine habe der Westen die polnischen Warner vor Russland unterschätzt. «Nun haben die Amerikaner einige hundert Soldaten und einige Kampfflugzeuge nach Polen verschoben.» Das werde sehr geschätzt als Zeichen der Solidarität, sagt Lehmann. Polen wünsche sich aber noch konkretere Unterstützung, etwa in Form von zusätzlichen Truppenstationierungen, und der umstrittenen Raketenabwehr. Dieses Abwehrsystem wird stark befürwortet in Polen.
Denn, wie Lehmann ausführt, «die EU ist zwar wichtig, aber was diese Ängste vor Russland betrifft, so reicht die EU-Mitgliedschaft nicht aus.» Da sei entscheidend, auch zur Nato zu gehören, und so unter dem Schutz der Amerikaner zu stehen. «Denn bei aller Annäherung an Europa, was die Sicherheit angeht, da vertrauen die Polen einzig und allein den Amerikanern», sagt Lehmann.
Zu Deutschland hat sich die Beziehung verbessert
Es gibt einige historische Gründe, warum die Polen Russland misstrauen. Zur Zarenzeit hatte Polen kein eigenes Staatsgebiet, es war aufgeteilt zwischen Russland, Preussen und den Habsburgern. Während dem Zweiten Weltkrieg wurde Polen von beiden Seiten, von Russland und Deutschland, angegriffen. Und in Polen noch lange nicht vergessen ist die kommunistische Diktatur, die dem Land von den Sowjets aufgezwungen wurde. «Polen hat nie gute Erfahrungen gemacht mit Russland», sagt der Ost-Europakorrespondent.
Dieses Verhältnis steht im Gegensatz zu dem Verhältnis Polens zu Deutschland. Auch Deutschland war im Zweiten Weltkrieg ein Feind Polens. «Deutschland hat sehr viel investiert, um die Beziehungen zu verbessern, sei es auf politischer Ebene oder auf zivilgesellschaftlicher Ebene», sagt Lehmann. Es gebe Schüleraustausche, Studentenförderung, Kulturprogramme, auch die Politik sei aufeinander zugegangen. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel und der polnische Premier Tusk verstünden sich ausgezeichnet.
«Was Russland betrifft, gibt es keine solchen Annährungen. Die beiden Verhältnisse haben sich komplett unterschiedlich entwickelt.» In Polen habe man gar den Eindruck, Russland gefalle sich in der Rolle, undurchsichtig zu sein und seinem Nachbarn irgendwie Angst einzujagen.