Das US-Justizdepartement hat einen Bericht über eine Untersuchung der Zustände bei der Polizei in Baltimore veröffentlicht. Grund dafür war der Tod von Freddie Gray, einem 25-jährigen Afroamerikaner, der wegen Polizeigewalt ums Leben kam.
Der 163-seitige Bericht enthält brisante Aussagen: «Die Praxis der Polizeiarbeit in Baltimore hat sich aus dem systemrelevanten Mangel an Strategien, Trainings und Supervision und aus ungeklärten Verantwortlichkeiten entwickelt. Den Beamten standen nicht die nötigen Werkzeuge zur Verfügung, um ihre Aufgabe effizient und im Rahmen des Gesetzes auszuführen.»
Weiter stellt der Bericht fest, dass Afroamerikaner in Baltimore dreimal häufiger auf der Strasse angehalten werden als Weisse und dass die Polizei exzessive Gewalt ausübe, wenn sie mit Geisteskranken, Jugendlichen und Personen zu tun haben, die nicht sofort auf verbale Anordnungen antworten.
In vier Jahren 30 Mal angehalten – ohne Grund
An der Medienorientierung zu diesem Bericht seien viele Beispiele genannt worden, wie USA-Korrespondent Beat Soltermann sagt. Er zählt einige davon auf:
«Ein 22-jähriger Afroamerikaner wurde nur deshalb verhaftet, weil er in einer Gegend unterwegs war, wo Drogen gehandelt werden.» Ein fünfzigjähriger Afroamerikaner sei in vier Jahren 30 Mal angehalten worden, ohne dass er nur gebüsst worden wäre. Leute mussten sich auf der Strasse ausziehen und wurden durchsucht. Die Polizei wendete Gewalt gegen Jugendliche, Behinderte oder Personen an, die schon gefesselt am Boden lagen.
«Es gab grundlose, illegale Verhaftungen, Belästigungen, Einschüchterungen und das gezielt und unverhältnismässig oft gegen Afroamerikaner», fasst Soltermann zusammen.
Tod von Freddie Gray führte zu Unruhen
Nach dem Tod von Freddie Gray in Polizeigewahrsam gab es Prozesse gegen sechs Polizisten. Sie wurden alle freigesprochen, denn das oberste Verfassungsgericht hat den Polizisten einen grossen Ermessenspielraum beim Einsatz von Waffengewalt gegeben, erklärt Soltermann. «Auch die hohen Hürden im Gesetz machen eine strafrechtliche Verurteilung schwierig, wenn nicht gar unmöglich.»
Bis jetzt sei in den stark beachteten Fällen von Polizeigewalt gegen Schwarze noch kein einziger Polizist verurteilt worden, nicht in Baltimore und nicht sonstwo. Anders sei es bei den zivilrechtlichen Klagen, sagt Soltermann: «Da müssen die Gemeinden immer wieder Millionen summen an die Hinterbliebenen zahlen. Nur macht das die Toten auch nicht wieder lebendig.»
Der Bericht sei derart vernichtend, dass er nicht einfach in einer Schublade verschwinden könne, sagt Soltermann. Er werde die Debatte über die Arbeit bei der Polizei weiter anheizen. «Es ist auch der erste Schritt hin zu einer Vereinbarung zwischen dem US-Justizdepartement und der Stadt Baltimore, mit dem die Polizei unter gerichtlicher Aufsicht reformiert wird.»
Solche Vereinbarungen hat die Obama-Regierung mit einem Dutzend Städte bereits abgeschlossen.