Kremlchef Wladimir Putin gehe es bei seiner Reise durch Lateinamerika um mehr als nur wirtschaftliche Interessen, sagt Sandra Weiss. Sie ist Journalistin in Mexiko. «Es geht ihm auch um Einfluss und Prestige: Russland ist da im letzten Jahrzehnt ins Hintertreffen geraten.» Die Chinesen seien sehr viel aktiver gewesen.
Aber auch arabische Länder haben ihre Fühler ausgestreckt. «Der Iran hat einiges investiert und baut hier beispielsweise einen Fernsehsender auf», weiss die Journalistin. Die Russen seien zwar ihrerseits dabei, eine eigene Nachrichtenagentur aufzubauen und so nachzuholen, was sie verpasst hätten.
Putin habe aber auch strategische Interessen: «Lateinamerika gilt als der Hinterhof der USA.» Er wolle dort Fuss fassen, da die USA auch in seinem Hinterhof agierten, erklärt die Journalistin mit Blick auf den Ukraine-Konflikt. Diese Krise sei denn auch der Grund, weshalb Putin ausgerechnet jetzt zu dieser Reise aufbreche, ist Weiss überzeugt. «Russland hat festgestellt, dass es international kein gutes Prestige und nicht sehr viele Verbündete hat.»
Annäherung an alte Verbündete
Ein bisschen Lobbyarbeit könne deshalb nicht schaden, sagt Weiss. Nach Kuba, das bis zu seinem Zusammenbruch stark von der Sowjetunion anhängig war, habe Russland schon einige Militärschiffe geschickt. Ausserdem habe Moskau der sozialistischen Karibikinsel 90 Prozent der Auslandsschulden erlassen. Das sind 35 Milliarden US-Dollar. «Die Gesten sind relativ eindeutig», so die Journalistin.
Russland will sich mehr Einfluss in der Region sichern. Diese «russische Umarmung» bringt auch Argentinien und Brasilien, den anderen beiden Ländern auf Putins Reiseroute, Vorteile. Etwa bei der Diversifizierung ihrer aussenpolitischen Beziehungen: «Heutzutage braucht jeder weltweit Verbündete unterschiedlicher Art.» Lateinamerika suche aber auch neue Absatzmärkte. Als solcher sei Russland interessant – zum Beispiel um Orangen, Bananen, Soja oder Reis zu verkaufen.
Droht ein neuer Kalter Krieg?
Im Frühling hatte eine Äusserung des russischen Aussenministers Sergej Lawrow in Washington für Unruhe gesorgt. Man sei auf der Suche nach militärischen Stützpunkten in Lateinamerika, hatte er verlauten lassen. «Rechte Thinktanks in den USA sind besorgt, dass es wieder einen Kalten Krieg gibt.»
Diese Sorge sei nicht von der Hand zu weisen, so die Journalistin. «Russland hat Atom-U-Boote. Wenn diese in einem kubanischen Hafen, 150 Kilometer von Florida entfernt, vor Anker gehen, ist das schon etwas beunruhigend.» Von einer Konfrontation wie damals im Kalten Krieg ist man nach Weiss' Ansicht aber noch weit entfernt.