Russland hat die Krim besetzt; es unterstützt die Separatisten im Osten der Ukraine. Dafür hat die EU das Land bestraft. Mit Sanktionen: Waffenhandel, bestimmte Finanzgeschäfte oder die Lieferung von Hightech-Produkten für die Ölindustrie sind seit zwei Jahren verboten. Ist jetzt die Zeit gekommen, diese Strafmassnahmen abzuschwächen?
«Isolation bringt auf Dauer nichts»
Ja, wenn es nach den deutschen Sozialdemokraten geht. Parteichef Sigmar Gabriel hat kürzlich einen schrittweisen Abbau der Sanktionen ins Spiel gebracht. «Isolation bringt auf Dauer nichts», sagte er. Man müsse mit Russland den Dialog suchen. In Deutschland ist diese Haltung populär: vor allem im Umfeld der rechtspopulistischen AfD sowie der Linkspartei sind viele für eine weichere Linie gegenüber dem Kreml.
Auch der italienische Premierminister Matteo Renzi ist kompromissbereit. Er besuchte vergangene Woche als einziger europäischer Regierungschef das Wirtschaftsforum von St. Petersburg und versprach: Rom wird sich gegen eine automatische Verlängerung der Sanktionen zur Wehr setzen.
Putin spaltet Europa. Denn es gibt auch starke Kräfte, die von einer Aufweichung der Strafmassnahmen nichts wissen wollen. Vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Ihre Linie ist unverrückbar: Russland muss erst das Abkommen von Minsk umsetzen, also für Frieden in der Ukraine sorgen – dann fallen auch die Sanktionen weg.
Das Problem dabei: Russland hält an seiner Unterstützung für die Rebellen in der Ostukraine fest. Die Kiewer Zentralregierung hat immer noch keine Kontrolle über die Grenze zwischen Russland und den sogenannten Volksrepubliken. Moskau kann den Separatisten ungestört Waffen, Kämpfer und Geld liefern. Unter diesen Umständen ist an faire Wahlen in der Region nicht zu denken – einer der wichtigsten Punkte im Minsker Abkommen. Zumal an der Front fast täglich gekämpft wird.
Der Kreml gibt sich nach aussen cool. Präsident Putin und seine Minister betonen bei jeder Gelegenheit, die Sanktionen seien nicht Russlands Problem. Die Europäer hätten damit angefangen. Da schwingt viel Stolz mit.
Russische Wirtschaft leidet
Tatsächlich aber ist Russland sehr an einer Normalisierung der Beziehung zu Europa interessiert. Die russische Wirtschaft steckt in einer schweren Krise. Dafür gibt es verschiedene Gründe – etwa den tiefen Ölpreis, aber auch die Sanktionen. Besonders hart trifft es russische Firmen, die sich nicht mehr im Westen refinanzieren dürfen. Investitionen werden dadurch teuer. Das lähmt das ganze Wirtschaftssystem.
Eine Aufweichung der Sanktionen wäre zudem ein politischer Erfolg: Russland würde nicht mehr als Hauptschuldiger für den Ukraine-Konflikt gelten – es wäre wieder eine allseits respektierte Macht.
Entscheid noch diese Woche erwartet
Ob die EU-Staaten dem Kreml diesen Gefallen tun werden, entscheidet sich wohl am Treffen der Europaminister am Freitag. Es wird der Tag nach der Brexit-Abstimmung sein. Europa hat auch noch andere Probleme.