Sicherheits- und Justizkreisen zufolge sind 36 inhaftierte Unterstützer der Muslimbrüder ums Leben gekommen. Allerdings gab es unterschiedliche Versionen dazu, wie die Personen gestorben sind.
Häftlinge erstickt?
Das Innenministerium erklärte, dass mehrere Insassen versuchten, aus einem Gefangenentransport nahe Kairo zu entkommen.
Einige der Gefangenen hätten einen Polizisten überwältigt und ausbrechen wollen. Laut der Nachrichtenagentur Mena wurde der Transport von unbekannten Bewaffneten angegriffen, die den Gefangenen zu Hilfe kommen wollten. Bei den anschliessenden Kämpfen seien Menschen durch das Einatmen von Tränengas gestorben.
Eine Person aus dem Umfeld der Justiz sagte der Nachrichtenagentur Reuters hingegen, die Islamisten seien auf dem Weg zum Gefängnis in einem überfüllten Transportfahrzeug der Polizei erstickt.
Die Muslim-Bruderschaft des vom Militär gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi sprach von Mord an insgesamt 52 Gefangenen und machte die Behörden dafür verantwortlich.
Armee kompromisslos
Zuvor hatte Armeechef Abdel Fattah al-Sisi klar gemacht, dass das Militär weiterhin hart gegen «gewaltbereite Islamisten» vorgehen wolle. «Wir werden niemals schweigend der Zerstörung des Landes zusehen», sagte er weiter. Die Muslimbrüder sollten ihren Protest aufgeben und sich wieder am politischen Prozess beteiligen.
Die Regierung verbot derweil bewaffnete Bürgerwehren, die sich vor allem in den Quartieren Kairos gebildet hatten und gegen Mursi-Anhänger vorgegangen waren. Diese «Volkskomitees» seien für illegale Handlungen benutzt worden, teilte das Innenministerium mit.
Versöhnliche Töne eher selten
In Ägyptens Regierung gibt es noch immer einzelne Stimmen, die nach dem Tod Hunderter Mursi-Anhänger versöhnliche Töne anklingen lassen. Vize-Ministerpräsident Siad Bahaa Al-Din forderte die sofortige Aufhebung des Notstandes. Alle Parteien sollten für eine Konfliktlösung einbezogen und die Menschenrechte geachtet werden.
Es war unklar, wie viel Unterstützung der liberale Politiker im Kabinett für seinen Vorstoss finden wird. Im Gegensatz zum gleichfalls liberalen Vizepräsidenten Mohamed El-Baradei war Bahaa al-Din nach der Zwangsräumung der Protestcamps von vergangener Woche im Amt geblieben.
Merkel: Waffenexport-Stopp
Angesichts der anhaltenden Gewalt in Ägypten hält die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Stopp der Rüstungsexporte nach Ägypten für ein geeignetes Druckmittel.
Die Situation in Ägypten sei «ausserordentlich brisant, auch besorgniserregend». Rüstungsexporte könnten «Gegenstand von Massnahmen sein, mit denen man deutlich macht, wir sind sehr skeptisch gegenüber dem, was in Ägypten im Augenblick vorgeht», sagte Merkel am Sonntag im ZDF-«Sommerinterview».
Warnung vor politischem Druck
Saudi-Arabien hat den Westen dagegen vor politischem Druck auf die vom Militär gestützte Regierung in Ägypten wegen der blutigen Zusammenstösse mit den Anhängern des abgesetzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi gewarnt.
«Wir erreichen nichts durch Drohungen», sagte der saudi-arabische Aussenminister Prinz Saud al-Faisal während eines Besuchs in Paris. Zuvor hatte sich Al-Faisal mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande getroffen.
Protestmärsche abgesagt
Die Mursi nahestehenden Muslimbrüder riefen nach den schweren Zusammenstössen am Freitag zu einer Woche des Protestes auf. Mehrere für Sonntag geplante Protestmärsche in Kairo sagten sie aber aus «Sicherheitsgründen» ab. Auf den Dächern der umliegenden Häuser seien «Schläger und Scharfschützen» gesichtet worden, hiess es zur Begründung.
Das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte wurde international verurteilt. Ägyptens Aussenminister Nabil Fahmi rechtfertigte in einem Interview mit dem «Spiegel» jedoch die umstrittene Räumung der Lager, bei der rund 800 Personen getötet wurden.
Amnesty: Wahllos getötet
Den Muslimbrüdern sei genug Zeit gegeben worden um einzulenken. Durch die Räumung sei offensichtlich geworden, dass sie daran kein Interesse hätten. «Wir fanden Waffenlager und Munition. Die Muslimbrüder suchten die Konfrontation», sagte Fahmi.
Amnesty International hingegen sieht die Hauptschuld an den vielen Toten bei den Sicherheitskräften. Sie hätten wahllos getötet und offensichtlich keinen Unterschied gemacht zwischen gewalttätigen und gewaltlosen Demonstranten. Auch unbeteiligte Zuschauer seien getroffen worden.