Millionen von Menschen sind auf der Flucht aus den Kriegsgebieten in Syrien und anderen Ländern. Viele nehmen dabei den gefährlichen Weg über das Meer auf sich. Dabei sind die Ziele dieser Menschen oft nur wenige Flugstunden entfernt. Doch der Luftweg bleibt ihnen wegen geltender Visa-Bestimmungen verwehrt.
SRF News: Was planen die schwedischen Initianten von «Refugee Air» genau?
Bruno Kaufmann: Es ist eine Reaktion auf die Ereignisse und Bilder der letzten Tage und Wochen. Diese schwedischen Unternehmen, die sich jetzt zusammengeschlossen haben in dieser Initiative «Refugee Air», wollen eine Lösung finden für das grosse Flüchtlingsproblem. Damit vor allem auch Familien und Minderjährige den gefährlichen Weg nicht auf sich nehmen müssen. Sie schlagen vor, dass sie Charter- oder auch Linienflüge dazu nutzen, dass Flüchtlinge direkt auf einen internationalen Flughafen – zum Beispiel nach Schweden – geflogen werden können, um dort ein Asylgesuch zu stellen. Sie sind überzeugt, dass das eine richtige und humanitäre Antwort ist auf die grosse Krise.
Nun dürfen Airlines aber nur Passagiere befördern, die über gültige Einreisepapiere verfügen. Das ist bei Flüchtlingen nur selten der Fall. Wie gehen sie damit um?
Man hat ein Gutachten erstellen lassen. Dieses zeigt auf: Wenn solche Flüge von ausserhalb des Schengenraumes im Schengenraum landen, beispielsweise auf einem internationalen Flughafen in Schweden, dann finden die Grenzkontrollen ja auf dem Flughafen statt. Das bedeutet, dass so eine solche Initiative, ein solches Projekt, nicht dem Vorwurf des Menschenschmuggels ausgesetzt ist. Sondern dass diese Menschen direkt vor Ort ein Asylgesuch stellen können. Die Initianten sagen auch, dass es sich um eine humanitäre Frage handle, nicht um eine juristische.
Es besteht das Risiko, dass diejenigen, die am meisten bezahlen, mitkommen.
Stellt sich nicht die Frage, wer denn das Recht erhalten soll, direkt nach Schweden ausgeflogen zu werden?
Das ist noch unklar, solange nicht ganz sicher ist, dass diese Flüge tatsächlich durchgeführt werden können. Man sagt bei «Refugee Air», dass man natürlich vor allem Menschen helfen möchte, die besonders gefährdet wären bei einer Flucht über Land und über Wasser, etwa Minderjährige und Familien mit Kindern. Aber am Ende ist das alles eine Frage der Auswahl der Menschen.
Man versucht es mit einem Modell, wie man es heute schon von den so genannten Quoten-Flüchtlingen der UNO kennt. Bei diesem suchen die Behörden vor Ort in den Flüchtlingslagern Menschen aus und gewähren ihnen eine sichere Reise ins Asylland. Ob das bei dieser privaten Initiative möglich sein wird, ist eine andere Frage. Es besteht das Risiko, dass diejenigen, die am meisten bezahlen, mitkommen. Das würde das ganze Projekt wieder in Frage stellen.
Schweden gilt als flüchtlingsfreundliches Land. Es gewährt mehr Menschen Asyl als die meisten anderen Staaten in Europa. Wie reagiert die Regierung auf die Pläne?
Die verschiedenen Parteien sind sehr gespalten. Die Politik ist zurückhaltend, weil sie nicht offen und proaktiv das Recht flexibel interpretieren möchte. Man möchte sich nicht – zumindest nicht explizit – in der Öffentlichkeit dazu äussern. In Schweden ist zwar eine Mehrheit für diese offene, liberale Politik. Aber es gibt auch eine lautstarke Minderheit, die sehr stark dagegen ist und eine solche direkte Fluglinie dezidiert ablehnt. Interessant ist, dass die Flugbranche, auch die grossen Fluggesellschaften in Schweden, eher positiv eingestellt sind. Denn sie haben heute ein Problem mit der Rückführungsverpflichtung. Wenn Menschen ohne Papiere an Bord sind, müssen sie diese zurückfliegen. Deshalb ist man für eine pragmatische Lösung und möchte signalisieren, dass es sinnvoller wäre, wenn Flüchtlinge direkt und auf dem schnellsten, sichersten Weg in ihr Zielland kommen können.
Das Gespräch führte Roger Aebli.