Espa Spathari, Einheimische, Rentnerin: «Wir haben uns heute aufgemacht, den Flüchtlingen das Notwendigste zu bringen: Kleider, Kinderkleider, Windeln. Für uns sind die ankommenden Menschen nämlich Flüchtlinge, nicht Migranten. Und gewiss nicht illegale Einwanderer, wie sie einige bezeichnen.
Wir sind müde angesichts der Tatsache, dass Europa überhaupt nichts für diese Insel tut – obwohl die Verantwortlichen wissen, dass Lesbos die wichtigste Eingangspforte für die Flüchtlinge ist. Wir sind besorgt, was im Winter geschehen wird. Wir wissen doch, dass Millionen auf ihre Überfahrt warten. Der Zaun in Evros muss abgebrochen werden, dass die Menschen über Land nach Europa kommen können und Kinder und Erwachsene nicht ertrinken müssen. Es ist eine Sünde, wenn Babys ertrinken. Erst gestern sind 15 Kinder im Wasser gestorben.»
Anastasia Tata, ehemalige Lehrerin: «Nass bis auf die Knochen sind die Flüchtlinge hier angekommen. Zusammengepfercht in Booten wie ein Bund Trauben. In der Türkei verfrachtet man sie in schwächliche Boote, knöpft ihnen 1200 Euro ab. Und die Menschen kommen an in totaler Agonie. Niemand mag über den Handel mit den Schleppern sprechen.
Wenn die Flüchtlinge hier ankommen, ist es unsere Pflicht, für sie so gut wie möglich zu sorgen. Aber es muss einen anderen Weg geben, die Türkei zu verlassen, als in diesen gefährlichen Booten. Zwar haben wir uns auf das Leid eingestellt. Aber als ich gesehen habe, wie sie mit ihren Booten ankamen, bin ich in Tränen ausgebrochen.»
Paris Laoumis, Restaurant-Besitzer: «Schon im Winter sind viele Flüchtlinge gekommen. Jedoch nicht in dieser Frequenz. Damals kamen drei Boote am Tag. Aber seit Juni, seit sich das Wetter verbesserte, steigt der Zustrom konstant. Jeden einzelnen Tag sehen wir Hunderte Menschen ankommen. Die Entfernung zur Türkei beträgt gerademal 12,8 Kilometer.
Wir Anwohner gehen gelassen damit um, wir können gar nicht anders. So weit es geht, versuchen wir den Flüchtlingen zu helfen, denn sie sind Menschen wie wir. Wir sind auf der Insel die ersten, die sie empfangen. Die Konsequenzen für uns alle wird sich im nächsten Jahr zeigen. Schon dieses Jahr sind Buchungen storniert worden. Ich bin in Sorge, dass die Reaktion der Regierung nach den Wahlen nicht mehr dieselbe sein wird.»
Sophia Koulouri, Bäckerin: «Die Situation jetzt ist nicht so schlimm wie vor einer Woche, als fast 30'000 Menschen hier in der Stadt Mytilini waren. Damals waren die Menschen überall. Sie schliefen auf Bänken und auf jedem Stücklein Wiese. Sie sind zu uns gekommen, um Brot zu kaufen und um auf die Toilette zu gehen.
Am Anfang habe ich es ihnen selbstverständlich erlaubt. Aber bald kamen so viele Leute auf einmal auf das WC und hinterliesesen eine totale Unordnung, dass andere Kunden das Klo nicht mehr benutzen konnten. Ich fühle mit den Flüchtlingen, und wir versuchen, ihnen zu helfen. Aber wir sind verzweifelt.»
Giorgos Kritharis, Reisebüro-Besitzer: «Damit sie nach Piräus oder Kavala gelangen können, verkaufen wir den Flüchtlingen Schiff-Billete. Dies tun wir mit grosser Geduld. Wegen der Massen, die wir täglich bedienen, gibt es aber verschiedene Schwierigkeiten.
Zu bestimmten Zeiten kommen plötzlich grosse Gruppen, so dass sich chaotische und angespannte Momente ergeben. Aber wir versuchen, den Ansturm unter Kontrolle zu halten – mit Schlangenbildung etwa. Die Flüchtlinge wollen nordwärts reisen. Hier bleiben möchten sie nicht.» (serc)