Nicht nur in Italien, auch in der Ägäis stranden zahlreiche Flüchtlinge. Am Montag zerschellte vor der Ferieninsel Rhodos ein Schiff mit Dutzenden Flüchtlingen an einem Felsen. Mindestens drei Menschen starben, darunter ein vierjähriges Kind, wie die Küstenwache mitteilte. Weitere 93 wurden aus dem Wasser gerettet.
In der Vergangenheit wurde Griechenland oft dafür kritisiert, dass es Schiffbrüchigen nicht genügend helfe. Insbesondere die jetzige Regierungspartei Syriza sei mit der Vorgängerregierung und deren Praktiken immer wieder hart ins Gericht gegangen, sagt Corinna Jessen, Journalistin in Athen.
Einer ihrer Vorwürfe lautete, die Küstenwache habe die Flüchtlinge vielfach nicht gerettet, sondern habe versucht, sie gezielt zurück- und damit in den sicheren Tod zu drängen. Syriza selbst hatte daraufhin eine menschlichere Flüchtlingspolitik versprochen. Doch was hat sich geändert, seit die Partei mit Regierungschef Alexis Tsipras tatsächlich an der Macht ist?
Niemand soll mehr an der Grenze sterben
Tsipras' erklärtes Ziel sei es gewesen, keine Menschen mehr an der Grenze umkommen zu lassen, so Jessen. «Doch jetzt als Ministerpräsident muss er erkennen, dass die finanziellen Mittel Griechenlands dafür sehr begrenzt sind.»
Noch enger werde es, wenn die Flüchtlingsströme weiter zunehmen – «und das werden sie im Sommer», sagt die Journalistin weiter. Darum habe auch Tsipras die EU um Hilfe gebeten. Diese hat inzwischen angekündigt, die Seenotrettung zu verstärken und die EU-Programme Triton und Poseidon mit mehr Mitteln auszustatten.
Das sei durchaus im Sinne der Regierung. Aber nur, wenn das Geld zur Rettung der Flüchtlinge, und nicht zu deren Abschreckung verwendet würde, erklärt Jessen. Dies wiederum erzürnt den vorherigen Regierungschef Andonis Samaras: «Er wirft der jetzigen, linken Regierung vor, den sommerlichen Ansturm auf den griechischen Inseln geradezu herbeizuführen.»
Mehr riskante Überfahrten wegen hohem Zaun
Die Routen der Flüchtlinge verlagerten sich, sagt die Journalistin, «je nachdem, wie stark wo kontrolliert wird». Eine Zeit lang hätten viele von ihnen Griechenland über den Grenzfluss zur Türkei, den Evros, erreicht. «Da dort aber ein riesiger Zaun errichtet worden ist, ist dieser Weg versperrt.» Das bedeute, dass wieder mehr Flüchtlinge die Fahrt über das Meer zu den griechischen Inseln riskieren.
Wer einmal in Griechenland aufgegriffen werde, lande in einem der völlig überfüllten Flüchtlingslager. Wegen der dort herrschenden «unmenschlichen Zustände», wie sie Menschenrechtsorganisationen anprangern, habe die Regierung angekündigt, sie zu schliessen und die Flüchtlinge in offenen Heimen unterzubringen. «Diese Einrichtungen müssen aber erst noch geschaffen werden», sagt Jessen.
Das Problem dabei: «Tsipras hat mit der rechtspopulistischen Partei der unabhängigen Griechen einen Koalitionspartner, der alles Fremde notfalls mit Gewalt aus dem Land halten möchte.» Bei der Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Flüchtlingslager geschlossen werden sollten, habe es offene Grabenkämpfe innerhalb der Koalition gegeben. «Offensichtlich fehlt der Regierung auch in ihrer Flüchtlingspolitik eine klare, durchstrukturierte Strategie.»
Flüchtlingsdramen im Mittelmeer
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Bild 1 von 11. Ein Gesicht der Katastrophe im Mittelmeer: Dieser junge Mann wurde gerettet – die Angst ist ihm aber noch immer ins Gesicht geschrieben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 11. Diese Migranten hatten Glück im Unglück – sie überlebten die Überfahrt und gehen am 21. April in Europa an Land. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 11. Italienerinnen werfen in Sizilien als Solidaritätsbekundung Blumen ins Mittelmeer. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 11. Beinahe täglich geschehen im Mittelmeer tragische Unglücke mit Flüchtlingen. Am 20. April zerschellte ein hölzernes Boot an der Küste von Rhodos. Zahlreiche Flüchtlinge konnten sich mit Hilfe von Wrackteilen über Wasser halten und trieben zum Strand Zefyros. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 11. Die lokale Bevölkerung sowie Rettungsmannschaften versuchten gemeinsam, den schiffbrüchigen Migranten zu helfen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 11. Wie viele Migranten sich genau an Bord des verunglückten Flüchtlingsbootes befanden, ist unklar. Laut Medienberichten sollen aber rund 100 Menschen auf dem Schiff gewesen sein. Sie wurden von Schleuserbanden von der türkischen Küste nach Europa gebracht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 11. Für mindestens drei Menschen endete die Überfahrt nach Rhodos mit dem Tod – darunter ein vierjähriges Kind. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 11. Rund 90 Personen konnten vor Rhodos gerettet werden. Einsatzkräfte suchten derweil nach weiteren Migranten. Mitunter waren auch Taucher im Einsatz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 11. Am Wochenende ereignete sich vor der Küste Libyens ebenfalls ein Flüchtlingsdrama – mit möglicherweise mehr als 700 Toten. Dutzende Leichen wurden auf dem italienischen Rettungsschiff «Gregoretti» nach Malta gebracht. Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 11. An Bord waren auch Überlebende, die nach Italien gebracht werden sollten. Sie kamen schwer erschöpft und mitgenommen in Europa an. Bildquelle: Reuters.
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Bild 11 von 11. Die Dramen, die sich im Mittelmeer abspielen, sind auch für die Hilfsmannschaften nur schwer zu ertragen. «Unsere Besatzungen sehen die Menschen sterben; sie ertrinken vor unseren Augen oder erfrieren an Bord», erklärte jüngst ein Reeder, dessen Schiffe bei Rettungen eingesetzt werden. Bildquelle: Reuters.