Das Sanktionskarussell der USA und EU dreht sich weiter. Erst vor wenigen Tagen hatte die EU für 19 Personen Einreiseverbote verhängt und auch US-Aussenminister John Kerry droht mit weiteren Strafmassnahmen.
Die bisherigen Sanktionen haben vor allem auch russische Gas- und Erdölunternehmen im Visier. Betroffen sind die Konzerne Gazprom, Rosneft, Transneft sowie Lukoil und Surgutneftegas. Diese Firmen haben seit September erschwerten Zugang zu den europäischen und amerikanischen Kapitalmärkten. Ausserdem dürfen Ölfirmen aus der EU oder den USA weder Technologie an ihre russichen Partner liefern, noch Dienstleistungen wie Bohrungen für sie durchführen.
Zukünftige Fördervorhaben blockieren
Die konventionelle Ölförderung an Land ist damit nicht betroffen. Der Westen will mit seinen Sanktionen vor allem künftige Fördervorhaben blockieren. Davon sind vor allem die riesigen Öl- und Gasreserven in der Arktis betroffen, die meist unter Wasser oder in Ölschiefergesteinen liegen. Um diese über Bohrplattformen oder per Fracking abzubauen, braucht es komplexe Technologien, die Russland bisher über den Westen bezogen hat.
Als Folge musste zum Beispiel ein Projekt zwischen Rosneft und Exxon abgebrochen werden, da sich der texanische Öl-Gigant den Sanktionsbestimmungen der USA beugte. Die beiden Firmen waren in der arktischen Karasee an einem 2,3 Milliarden US-Dollar teuren Projekt beteiligt, um neue Ölfelder zu erschliessen und neue Fördertechnologien zu entwickeln. Rosneft will die Bohrungen ab 2016 alleine wieder aufnehmen. Wie das geschehen soll, steht aber noch in den Sternen.
Bohraktivität in der Arktis liegt auf Eis
Die Sanktionen scheinen also gewirkt zu haben. Viele russische Bohrprojekte in der Arktis liegen auf Eis. Für Kirsten Westphal, Energie- und Russlandexpertin von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, ist das nicht ganz so eindeutig. Sie sieht den niedrigen Ölpreis von rund 60 Dollar pro Barrel als weiteren Grund für die erstarrte Ölförderung, die den ganzen arktischen Raum betreffe. Die Kapitalkosten, sowie die Kosten, um in den extremen Bedingungen nach Öl zu bohren seien schlicht zu hoch.
Für die Expertin ist auch klar, dass sich Exxon nicht nur wegen der Strafmassnahmen aus der Partnerschaft mit Rosneft verabschiedet hat. Aber: «Die Sanktionen waren eine gute Möglichkeit, aus dem unrentablen Geschäft auszusteigen.»
Sorgenvoller Blick in die Zukunft
Trotzdem sieht Westphal, dass Russland mit den Sanktionen zusätzliche Probleme in der Rohstoffgewinnung haben wird. Die Förderkapazitäten der jetzigen Ölfelder hätten ihre Höhepunkte bereits überschritten. «Russland muss neue Felder erschliessen, um das Förderniveau zu halten. Die Sanktionen werden dies jedoch verhindern.»
Auf die Entwicklungen, die sich am Horizont abzeichnen, blickt Westphal mit Sorge. «Die Energiebeziehungen zwischen Russland und dem Westen haben sich massiv verschlechtert. Eine Rückkehr zum früheren Status Quo ist sehr unwahrscheinlich.»
In der Energiepolitik schwenkt Präsident Wladimir Putin neu nach Asien. Dort gebe es einerseits eine wachsende Nachfrage nach Gas und Öl und andererseits noch immer Zugang zu den Kapitalmärkten.
Grössere Abhängigkeit von OPEC-Staaten
Russische Ölfirmen suchen dabei vor allem den Schulterschluss mit Partnern aus China, um längerfrisitg Technologien für die Ölförderung in der Arktis zu entwickeln. Westphal befürchtet dabei grosse Umweltschäden. Beide Länder hätten nicht die technologischen Möglichkeiten der westlichen Ölkonzerne und müssten ihre Methoden wohl in einem unsicheren «learning-by-doing»-Verfahren ausprobieren.
«Mittelfristig wird Russland sein Produktionsniveau aber kaum halten können», sagt die Expertin. Mit dem abflauenden Fracking-Boom in den USA werde ein Grossteil des Öls in Zukunft wieder aus OPEC-Staaten kommen. Also aus Ländern wie dem Irak, Libyen oder Nigeria, die von Terrororganisationen unsicher gemacht werden.
Sendebezug: SRF 4 News, 16.2, 14:00 Uhr