Der UNO-Sicherheitsrat will noch am Donnerstag zusammentreten, um über die Gewalt in Ägypten zu beraten. Die Sitzung soll hinter verschlossenen Türen beginnen. Das Treffen wurde von den Ratsmitgliedern Frankreich, Grossbritannien und Australien gefordert.
Derweil korrigierte die ägyptische Regierung die Zahl der Toten auf 578, darunter 43 Polizisten. 2926 Menschen wurden demnach verletzt. Der Nachrichtensender «Al-Arabija» berichtet sogar von 638 Toten. Vermutlich liegt die tatsächliche Zahl der Toten höher. Die Muslimbrüder sprachen von insgesamt 2200 Toten und mehr als 10'000 Verletzten.
«Freitag der Wut»
Die Muslimbrüder wollen ihre Proteste gegen die Absetzung von Präsident Mohammed Mursi fortsetzen. Man werde nicht ruhen, bis «der Militärputsch» der Vergangenheit angehöre. Geplant seien an diesem «Freitag der Wut» zwar friedliche Kundgebungen. Aber es könne niemand garantieren, dass es dabei nicht zu Gewalt und Brandanschlägen komme, sagte ein Vertreter der Islamisten.
Innenministerium gibt Schiessbefehl
Auch die Polizei rüstet sich für weitere Unruhen. Das ägyptische Innenministerium wies sie sogar an, ab sofort mit scharfer Munition auf Plünderer und Saboteure zu schiessen. Anlass seien «Terrorattacken der Organisation der Muslimbrüder auf verschiedene Einrichtungen von Regierung und Polizei in mehreren Provinzen».
Damit solle verhindert werden, dass öffentliche Gebäude in Brand gesetzt und Waffen aus Polizeistationen gestohlen werden. Bereits am Vortag hatte die Regierung für einen Monat den Ausnahmezustand verhängt. Zudem gilt eine nächtliche Ausgangssperre von 19 bis 6 Uhr Ortszeit. Eine Verkürzung um zwei Stunden wurde umgehend wieder aufgehoben
Nachtsperre zu Ende, Unruhen beginnen
Nach einer – aufgrund der Ausgangssperre – relativ ruhigen Nacht beschossen am Morgen Muslimbrüder eine Polizeistation in der südlichen Stadt Assiut mit Mörsergranaten. Das berichtete ein Beamter der Sicherheitsdirektion. Seinen Angaben zufolge wurden mehrere Polizisten verletzt. Es entbrannte ein Feuergefecht. In der Nacht griffen bewaffnete Islamisten mehrere Polizeistellen in der Provinz Beni Sueif an. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen starben drei Menschen.
In Alexandria demonstrierten hunderte Muslimbrüder gegen das Vorgehen der Armee. Man sei gekommen, um der «Märtyrer» zu gedenken. Bei einer Massenschlägerei kamen hier mindestens vier Menschen ums Leben, 45 Personen wurden verletzt.
Zudem stoppten Anwohner einen Protestmarsch der Muslimbrüder, als sich die Demonstranten auf eine koptische Kirche zubewegten. Sie riefen: «Mit unserer Seele und unserem Blut opfern wir uns für unsere koptischen Brüder». «Wir sind alle Ägypter – Millionen gegen die Muslimbrüder». In Kairo stürmten Hunderte Mursi-Anhänger ein Regierungsgebäude und legten Feuer.
Toter in Hurghada
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Die Ferienorte an der Küste des Roten Meeres blieben von den Unruhen bislang verschont. In dem Badeort Hurghada hat es allerdings einen Todesfall gegeben. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen starb ein Anhänger der Muslimbruderschaft bei Zusammenstössen zwischen Demonstranten und der Polizei.
In Abanub sei eine koptische Kirche niedergebrannt worden. Es gibt Berichte aus mehreren Provinzen über Attacken auf Kirchen, christliche Schulen und Geschäfte, die Christen gehören. Das ägyptische Nachrichtenportal youm7 berichtete, die Sicherheitskräfte befürchteten «eine neue Welle der Gewalt», wenn die Islamisten am Freitag erneut demonstrieren sollten.
Verletzte Selbstachtung
Am Mittwoch war die Räumung von zwei Protestcamps der Muslimbrüder in der Hauptstadt Kairo eskaliert. Auch in anderen Städten gab es Ausschreitungen.
Die Gewalt wurde international scharf kritisiert. Übergangspräsident Adli Mansur verhängte einen einmonatigen Ausnahmezustand für das ganze Land.
Nicht überall wurde die nächtliche Ausgangssperre beachtet. In Alexandria hätten Mursi-Anhänger mehrere Strassen blockiert und Strassenbahnwaggons angezündet, so Medienberichte.
Das Innenministerium erklärte, die Sicherheitskräfte seien angewiesen worden, nur Tränengas einzusetzen. Doch als sie in den Protestlagern ankamen, seien sie von Schüssen überrascht worden. Übergangsregierungschef Hasem al-Beblawi verteidigte das Vorgehen der Regierung. Kein Staat mit Selbstachtung könne Protestcamps über einen Zeitraum von anderthalb Monaten akzeptieren.
Die Justizbehörden haben die Haft des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi derweil um 30 Tage verlängert. Ihm werden Mord und Spionage vorgeworfen. Er wird an einem unbekannten Ort festgehalten.