+331 86 51 71 61, das ist wohl die wichtigste Nummer für Flüchtlinge im Mittelmeer. 60 Schichtteams in ganz Europa betreuen rund um die Uhr die Telefon-Hotline von «Watch the Med» und organisieren Hilfe für in Seenot geratene Menschen.
Nach einem Notruf kontaktieren die Menschenrechtsaktivisten die zuständige Küstenwache und die Behörden vor Ort. GPS-Daten von Satellitentelefonen machen das möglich. Sämtliche Schiffe in der Nähe werden aufgefordert, Hilfe zu leisten. Seit Dezember wurden dank der Hotline bislang 1500 Flüchtlinge aus untergehenden Booten gerettet.
Für zivile Handelsschiffe wird das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer immer mehr zu Belastung. Die Schiffe und Besatzungen seien für diese Einsätze nicht eingerichtet, berichtet ein Hamburger Reeder. Es fehle an Platz Sanitäreinrichtungen, Medizin, Proviant und erster Hilfe.
«Unsere Besatzungen sehen die Menschen sterben; sie ertrinken vor unseren Augen oder erfrieren an Bord», sagt Christopher E.O. Opielok. Viele der Seeleute ertrügen dieses Elend nicht mehr und suchten sich daher einen anderen Job.
«Manche Flüchtlinge erfrieren innerhalb von Minuten an Deck, nachdem wir sie unterkühlt aus dem Wasser gezogen haben», berichtet der Reeder, der selbst lange als Kapitän zur See gefahren ist.
Entziehen darf sich der Kapitän eines Handelsschiffes nicht, wenn er zur Hilfe in Seenot aufgefordert wird. Das wäre strafbar. Die Schlepper der Flüchtlinge wissen das und steuern die Boote gezielt in die Öl- und Gasfelder vor der libyschen Küste. So machen sich die Schlepper und Fluchthelfer die zivile Schifffahrt zunutze.
Reeder appellieren an EU
Der Hamburger Reeder ist bei weitem kein Einzelfall. Handelsschiffe haben im vergangenen Jahr rund 40'000 Flüchtlinge aus Seenot gerettet. Und die Reederverbände befürchten einen dramatischen Anstieg.
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Nebst den psychischen Aspekten für die Crew hat ein solcher Hilfseinsatz auch finanzielle Konsequenzen. Die Ladung kann nicht termingerecht gelöscht werden, es drohen hohe Verluste. Der Rettungseinsatz geht zu Lasten des Eigners.
Nun doppelt der Verband Deutscher Reeder (VDR) nach. Die Seenot-Rettung der EU im Mittelmeer müsse massiv und schnell ausgeweitet werden. «Ausserdem brauchen wir medizinische Unterstützung an Bord, sagt VDR-Chef Ralf Nagel.
«Wir hoffen, dass in der heutigen Bundestagsdebatte nicht wieder Sätze fallen werden, dass zu viel Seenotrettung die verbrecherischen Menschenschmuggler indirekt unterstützt.»
In einem gemeinsamen Appell haben sich die europäischen und die Weltverbände der Reeder und der Gewerkschaften der Seeleute an die 28 EU-Regierungen gewandt.
Wenn Tausende weitere Opfer vermieden werden sollen, müssten die EU-Staaten zusätzliche finanzielle Mittel bereitstellen und die finanzielle Bürde teilen.