Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière brachte den Begriff letzte Woche neu auf den Tisch: Weitere Länder sollen auf die Liste der «sicheren Herkunftsländer» gesetzt werden. Ziel sei es, die Asylgesuche von Flüchtlingen aus Albanien, Montenegro und dem Kosovo schnell zu erledigen und die abgelehnten Asylsuchenden rasch abzuschieben. Unterstützung bekam er umgehend vom französischen Premierminister Manuel Valls, der sich für ein gemeinsames europäisches Vorgehen in dieser Frage aussprach.
In der Schweiz wurde von politischer Seite kürzlich der Vorschlag laut, auch Eritrea künftig als «sicheres Herkunftsland» zu betrachten, weil nicht erwiesen sei, dass Menschen in dem afrikanischen Land systematisch verfolgt würden. Bundesrätin Simonetta Sommaruga widersprach vehement. Die Richtlinien des UNHCR würden eine Rücksendung von Flüchtlingen nach Eritrea derzeit generell ausschliessen.
Grundsätzlich kann jedes Land selbständig beschliessen, welche Länder es auf die Liste der «sicheren Herkunftsstaaten» setzten will. Eine allgemeingültige Grundlage dafür gibt es nicht.
Angst vor Ostblock-Bürgern als Auslöser
Eingeführt wurde das Prinzip mit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Damals, erklärt der Berner Staatsrechtsprofessor Alberto Achermann, fürchteten die westeuropäischen Länder, von «Wirtschaftsflüchtlingen» aus den ehemaligen Ostblockstaaten überschwemmt zu werden. Deshalb beschlossen einige, allen voran die Schweiz, neue Demokratien wie Ungarn zu «sicheren Herkunftsstaaten» zu erklären. Miterfinder des Prinzips war der damalige Justizminister, Bundesrat Arnold Koller.
Asylsuchende aus diesen «sicheren» Ländern sollten grundsätzlich kein Recht auf Asyl haben. In einem beschleunigten Verfahren sollte allerdings geklärt werden, ob im Einzelfall doch ein Asylgrund vorliege. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) lehnte dieses Konzept im Dezember 1992 entschieden ab. Die Genfer Flüchtlingskonvention sehe kein Konzept von per se sicheren Staaten vor. Es sei immer vom Einzelschicksal des Asylsuchenden auszugehen.
Keine internationale Kontrollinstanz
Heute sieht es das UNHCR etwas differenzierter. Für Personen, denen offensichtlich keine Verfolgung drohe, seien beschleunigte Asylverfahren sinnvoll, sagt Anja Klug vom Schweizer Büro des UNHCR. Allerdings müsse ein Land bei der Auswahl der «sicheren Herkunftsstaaten» grösste Sorgfalt walten lassen.
So dürfe keinesfalls das Verbot der Genfer Flüchtlingskonvention verletzt werden, wonach Flüchtlinge nicht in Länder zurückgeschickt werden dürfen, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sei. Wichtig sei ausserdem, dass jeder Antragsteller die Möglichkeit habe, eine Verfolgung geltend zu machen, auch wenn er aus einem an sich sicheren Herkunftsland komme.
Welche Staaten in der Schweiz aber auf die Liste der «sicheren Herkunftsländer» kommen, ist letztlich ein politischer Entscheid. So stehen in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland Albanien, der Kosovo und Montenegro bereits auf der «sicher»-Liste.
Es gibt aber keine internationale Instanz, die diese Liste vorgibt – oder im Streitfall umstossen kann. Zwar halten sich die Schweizer Behörden in der Regel an die Länderberichte des UNHCR. Diese sind aber rechtlich nicht bindend.
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EU hat einheitliche Regeln
Anhand eines Einzelfalles kann das Bundesverwaltungsgericht nachträglich vorgeben, wie die Abschiebepraxis für das jeweilige Land konkret gehandhabt werden soll. Zudem würde die Schweiz wohl international unter Druck geraten, würde sie ein Land auf die Liste der «sicheren Staaten» nehmen, in dem die Menschenrechte grob missachtet werden.
Einzelne EU-Staaten haben für ihren Entscheid, wer auf eine solche Liste kommt, etwas weniger Spielraum als die Schweiz. Das Konzept des «sicheren Herkunftsstaates» ist in einer gemeinsamen EU-Richtlinie geregelt. Wenn ein Land seine Liste erweitern will, muss dieser Entscheid zumindest der Überprüfung durch die zuständigen EU-Behörden standhalten.