«Korrupte Politiker bleiben straflos»: Diese Ansicht ist in Spanien weit verbreitet und gilt als Kritik an der Justiz. Aber das empörte Volk könnte Politiker ja selbst strafen, etwa bei der Parlamentswahl vom kommenden Sonntag. Die Ökonomin Elena Costas hat Korruptionsfälle und Wahlresultate verglichen und untersucht, ob Wählerinnen und Wähler sich tatsächlich so verhalten.
Schnellere Reaktion bei lokaler Korruption
Den Täter vor der eigenen Haustür packt man eher am Schlafittchen, als einen, den man nur vom Fernsehen kennt. Auf diese kürzeste Formel bringt Elena Costas ihr Untersuchungsergebnis. Um einen korrupten Politiker mit dem Wahlzettel zu bestrafen, müsse man ihn klar identifizieren können, sagt Costas.
Das gelinge in den vertrauten lokalen Verhältnissen besser. Darum sei dort auch erkennbar, dass Wählerinnen und Wähler reagierten. Als Beispiel nennt Costas die Wahlen in der Stadt Valencia vom Mai, als die Hochburg der Konservativen an die Linke ging.
Grosszügiger mit eigener Partei
Zu dieser präzisen Regel aber gehörten gewisse Schattierungen. Costas stellt fest, dass die Leute unterscheiden, ob ein Bürgermeister nur sich selbst bereichert oder ob er sich bestechen lässt, wenn er Bauaufträge vergibt, die Arbeitsplätze in die Stadt bringen. «Da wird man gleich toleranter.»
Überhaupt finde man schnell Gründe, Korruption zu tolerieren. Die Ideologie sei ein wichtiges Kriterium, um Sünden zu vergeben, so Costas. Es gelte etwa, «meine Politiker, also jene meiner Partei, sind nicht korrupt, jene der Gegner aber schon». In dieser Konstellation wächst die Bedeutung von Wechselwählerinnen und Wählern, die sich erst im letzten Moment festlegen.
Strenger in Krisenzeiten
Andere Umstände begünstigen eher, dass das Volk an der Urne die Korrupten ausscheidet: In Krisenzeiten sei die Bevölkerung strenger, sagt Costas. Ungleichheit mache die Leute empfindlicher. Die dächten dann: «Warum soll ich leiden, und die Politiker bereichern sich und bleiben dabei straflos?»
Wichtig sei aber, dass es im politischen Angebot eine überzeugende Auswahl gebe, sagt Costas. «Wenn ich einen korrupten Politiker abwählen soll, muss ich eine Alternative haben. Wo sie fehlt, bewegt sich kaum was.»