Sichtlich betroffen berichtet Carla Del Ponte über das Schicksal der Kinder im syrischen Bürgerkrieg. Sie sei schockiert, so Del Ponte: «Kinder müssen Botengänge machen, bei denen es um Leben oder Tod geht. Ab 12jährig werden sie dafür trainiert, an der Front zu kämpfen.»
Für Del Ponte, die im Auftrag der UNO in Syrien Kriegsverbrechen auf beiden Seiten aufklären soll, ist klar: «In diesem Krieg werden die Genfer Konventionen überhaupt nicht respektiert. Es gelten absolut keine Gesetze. Es geht nur noch um Folter und Tötung.» Damit unterscheide sich die Situation in Syrien beispielsweise vom Konflikt in Ex-Jugoslawien: «Dort wurde wenigstens ein Mindestmass der Konventionen eingehalten.»
Kriegsverbrecher vor Gericht bringen
Del Ponte war Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für die Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und für den Völkermord in Ruanda in Den Haag. Die drei Teams der UNO-Sonderkommission zu Syrien werden vom Assad-Regime nicht ins Land gelassen. Del Ponte und ihre Ermittlerkollegen verifizieren deshalb Zeugenaussagen in der Türkei, in Jordanien und dem Libanon.
«Ich möchte, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag diese Verbrechen zur Anklage bringt», sagt die ehemalige Schweizer Bundesanwältin. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Zurzeit gebe es trotz vereinzelten Zeugenaussagen «keine klaren Hinweise», dass in dem Bürgerkrieg auch Giftgas eingesetzt werde.
«Ich bin stolz auf die Schweiz»
Trotz der dramatischen Situation für die Zivilbevölkerung in Syrien will Del Ponte der internationalen Gemeinschaft keine Vorwürfe machen: «Ich würde nicht von einem totalen Versagen sprechen.» Gerade die Initiative der Schweiz unter Aussenminister Didier Burkhalter gegen eine Straffreiheit für Kriegsverbrecher sei «ein wichtiges Element».
Del Ponte: «Ich bin stolz auf die Schweiz». Dennoch müsse sie eingestehen, dass ein Sturz Assads nicht in Sichtweite sei: «Das kann noch lange gehen.»