Nach dem Abbruch der Gespräche der USA mit Russland über eine Waffenruhe in Syrien sieht der Journalist Andreas Zumach wenig Hoffnung für die Bevölkerung in Syrien.
SRF News: Die Diplomatie zwischen Russland und den USA ist in der Syrienfrage zu Ende: Ist jetzt Hopfen und Malz verloren?
Andreas Zumach: Ich fürchte, dass das tatsächlich für eine lange Zeit so ist. Die Obama-Administration mit Aussenminister John Kerry ist in vier Wochen an ihrem Ende angelangt, für sie gibt es keinen Anreiz mehr, sich für Syrien weiter zu engagieren. Auch in Moskau gibt es keinen Anreiz für eine Waffenruhe in Syrien. Die Russen setzen auf einen militärischen Sieg.
Was bedeutet das für den Krieg in Syrien?
Weitere katastrophale Wochen, vielleicht Monate, in denen die Zivilbevölkerung weiter so schrecklich leidet. Möglicherweise verhungern und verdursten viele der Menschen, die nun schon seit Monaten eingeschlossen sind und nicht humanitär versorgt werden können.
Sowohl Moskau wie Washington wollen laut eigenen Worten den IS bekämpfen. Könnte es dem IS nun Zupass kommen, dass sich die beiden jetzt in den Haaren liegen?
Die Absichtserklärung zwischen den Aussenministern Kerry und Sergej Lawrow vom 9. September sah vor, nach sieben Tagen Waffenruhe die Hilfslieferungen wieder aufzunehmen und in einem dritten Schritt die Bekämpfung des IS aus der Luft zu koordinieren und zu verstärken. Weil nun aber die Schritte eins und zwei nicht erfolgt sind, kommt es nun auch nicht zu Schritt drei. Darüber dürfte sich der IS sicher freuen, denn das bedeutet weniger militärischen Druck aus der Luft.
Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, sich nicht an die Abmachungen gehalten zu haben. Wer hat recht?
Das ist schwierig zu beantworten. Denn man kann grosse Zweifel haben, dass beide Seiten ihre jeweiligen Verbündeten im Syrienkrieg überhaupt noch unter Kontrolle hatten und haben. Die Amerikaner hatten zugesagt, die von ihnen so genannten und unterstützten «legitimen Oppositionsgruppen» dazu zu bringen, sich von den Terrorgruppen zu trennen. Das ist offensichtlich nicht passiert, und darin liegt jetzt auch der Hauptvorwurf aus Moskau.
Es stellt sich angesichts der fliessenden Grenzen zwischen den verschiedenen Kämpfertruppen die Frage, ob das überhaupt jemals hätte gelingen können. Umgekehrt hat Moskau das Versprechen von Genf nicht eingelöst, Assads Luftwaffe zum Einstellen der Bombardements zu bewegen und Assad dazu zu bringen, die Hilfslieferungen durchzulassen. Man kann vermuten, dass das gelungen wäre, wenn Putin wirklich gewollt hätte – was ich allerdings nicht glaube.
Es ist also sogar für die beiden Grossmächte schwierig, im verworrenen syrischen Bürgerkrieg den Überblick zu behalten?
Das ist im Verlauf des mittlerweile fünfjährigen Krieges tatsächlich immer schwieriger geworden, vor allem, weil ständig neue Akteure auf dem Schlachtfeld aufgetaucht sind. Deshalb haben Moskau und Washington schon vor langer Zeit die Einflussmöglichkeiten zur Steuerung des Konflikts verloren.
Das tönt alles nicht sehr hoffnungsvoll. Was bräuchte es, damit die Friedensbemühungen für Syrien wieder in Gang kommen?
Der allererste Schritt ist das Ende der heissen Kämpfe, vor allem der Angriffe aus der Luft. Frankreich hat Anfang Woche eine Resolution in den UNO-Sicherheitsrat eingebracht, der als ersten Schritt ganz bescheiden ein Ende der Luftangriffe auf Aleppo vorsieht. In einem zweiten Schritt soll dort eine Waffenruhe hergestellt werden, damit Hilfslieferungen möglich sind. Die Franzosen hoffen, dass sich dies dann auf andere umkämpfte und belagerte Gebiete ausdehnen könnte. Danach könnten auch wieder politische Gespräche in Genf aufgenommen werden. Vom russischen UNO-Botschafter kam aber bereits die Antwort, dass sein Land die Resolution nicht unterstützen werde. Noch offen ist, ob Moskau sie sogar mit einem Veto verhindern wird. Das zeigt: Die Hoffnungen sind tatsächlich nicht sehr gross, dass sich in nächster Zeit etwas zum Positiven verändern wird.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.