Am Wochenende haben die Soldaten von Präsident Baschar al-Assad eine Grossoffensive gegen die Rebellen-Hochburg Kusair gestartet. An ihrer Seite kämpft auch die libanesische Hisbollah. Inzwischen sieht es so aus, als stünde die Rückeroberung Kusairs durch das Regime kurz bevor.
Noch nie standen die Rebellen so sehr mit dem Rücken zur Wand.
Die Kampfhandlungen sind in vollem Gang. Derweil wird die von Russland und den USA angeregte Friedenskonferenz zur Eindämmung des Konflikts immer unwahrscheinlicher.
Kein Wunder. Denn im inzwischen zwei Jahre andauernden Konflikt verlieren die Rebellen nicht nur in der Schlacht um Kusair an Boden. Das stärkt das Regime.
Fällt die strategisch wichtige Stadt an der Grenze zum Libanon, wird dem Nachschub der Rebellen das Rückgrat gebrochen. «Noch nie standen die Rebellen so sehr mit dem Rücken zur Wand wie jetzt», sagt der Nahost-Experte Michael Lüders in SRF4 News aktuell.
In Syrien tobt ein Stellvertreter-Krieg
Die Gründe für das Erstarken der Regime-Truppen seien vielfältig, sagt Lüders. In militärischer Hinsicht dürfte die vom Iran unterstützte Hisbollah eine aktive Rolle spielen. Auf Rebellenseite ist es aber sicher die Zerstrittenheit der verschiedenen Gruppen. Dies und ihre bisweilen ruchbar gewordene Nähe zum islamischen Terrorismus hielten den Westen überdies ab, im grossen Stil Waffen zu liefern. Das gleiche gilt für die mit den Rebellen sympathisierenden Golfstaaten.
Hinzukommt Assads Lernfähigkeit. Seine Truppen haben erkannt, dass sie den Kampf nicht in ganz Syrien führen können. Und auch die Länge des Konflikts spielt dem Regime in die Hand. «Inzwischen fürchten sich viele Syrer und auch Minderheiten im Land im Falle eines Sieges der Rebellen vor ethnischer oder religiöser Vergeltung», erklärt Lüders. Das treibe sie zurück in Assads Arme.
Der Konflikt in Syrien sei ohnehin zum Stellvertreterkrieg geworden, sagt Lüders. Auf der einen Seite Assad mit seinen Verbündeten China, Russland und Iran. Auf der anderen der Westen und die Golfstaaten. Dabei ist der Ausgang so ungewiss wie noch nie.
Verschärfung statt Lösung in Sicht
An einen Erfolg der geplanten Friedenskonferenz mag Lüders nicht mehr recht glauben. Der Westen müsste vor dem Hintergrund des Erstarkens von Assads Regime eingestehen, die Lange falsch eingeschätzt zu haben. «In der Politik ist so etwas eher eine Seltenheit», gibt Lüders zu bedenken.
Plausibler scheint dem Experten, dass der Westen auf eine Verschärfung der Strafmassnahmen setzt. Die EU diskutiert in diesem Zusammenhang, die Hisbollah-Miliz offiziell als Terrororganisation zu brandmarken.
«Der Westen muss sich neu erfinden»
Ohnehin gerät die ganze Region im Nahen Osten immer mehr zum Pulverfass. Die Nerven der Türkei aber auch jene Israels liegen blank. Käme es beispielsweise in Istanbul zu einem weiteren konfliktmotivierten Anschlag, bliebe der türkischen Armee kaum eine andere Möglichkeit als die militärische Eskalation. «Dann hätten wir rasch eine Situation, in der niemand mehr weiss, wo welcher Detailkonflikt anfängt und wo einer aufhört», sagt Lüders.
Wolle der Westen eine solche Eskalation mit unbekanntem Ausgang verhindern, sei er gut beraten, wenn er versuche, die politischen Probleme der Region zu lösen. Die Palästinenser-Frage zählt dazu. Und ebenso die Tatsache, dass die Hisbollah im Libanon inzwischen zum Staat im Staat geworden ist. Mittelfristig steht laut Lüders auch die Lösung der Demokratiefrage im gesamten arabischen Raum an.
Für die Menschen in Syrien ist das ein steiniger Weg. Welche Richtung der Konflikt auch einschlägt. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte schätzt die Zahl der in Kusair eingeschlossenen Zivilisten auf 25'000. Dazu kämen tausende weitere Menschen in Dörfern rund um die Stadt nahe der Grenze zum Libanon. Sie leben seit Monaten in Angst und Schrecken.