Deutschland wollte sich eigentlich an den Luftangriffen gegen die Terrormiliz IS nicht beteiligen. Nach den Anschlägen von Paris ist jetzt aber Schluss mit vornehmer Zurückhaltung. Die Bundeswehr soll nach dem Willen der Regierung Merkel Aufklärungsjets und mindestens ein Kriegsschiff schicken. Der Bundestag wird noch dieses Jahr entscheiden. Fragen an Rolf Clement, Sonderkorrespondent für Sicherheitspolitik beim Deutschlandfunk.
SRF News: Seit dem Krieg in Afghanistan hat sich Deutschland militärisch an keinem Konflikt beteiligt. Ist das jetzt die Wende?
Rolf Clement: Ja. Erstmals seit dem Kosovo-Krieg und dem Krieg in Afghanistan gibt es wieder ein Mandat, das auch Kampfeinsätze ermöglichen soll. Deutschland hielt sich bei den bisherigen Einsätzen in Libyen zurück und nahm militärisch nicht daran teil. Die Bundeswehr beliess zwar ihre Soldaten in den Nato-Stäben, schickte sie aber nicht ins Kampfgebiet. Insofern ist das eine Trendwende in der deutschen Politik.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen spricht jetzt von militärischen Mitteln gegen die «Mörderbanden». Zieht Deutschland also wieder in den Krieg oder ist es nur eine Aufklärungs- und Beobachtermission.
Es ist eine Aufklärungsmission, aber auch der Schutz des französischen Flugzeugträgers durch eine deutsche Fregatte. Formaljuristisch ist das nach deutschem Recht eine Kriegsbeteiligung, weil man aktiv ins Kriegsgeschehen eingreift. Denn die Aufklärungsflugzeuge werden zu bekämpfende Ziele identifizieren.
Von der Leyen wies gestern darauf hin, dass der IS kein Staat sei und es deshalb im völkerrechtlichen Sinne kein zwischenstaatlicher Krieg, sondern die Bekämpfung einer Terrorgruppe sei. Mit diesem Aspekt werden sich die Verfassungsjuristen in den nächsten Wochen beschäftigen. Denn davon wird abhängen, ob es ein formelles Bundestagsmandat braucht und vor allem, ob man eine UNO-Resolution benötigt, um den Einsatz durchführen zu können. Das ist nämlich nach deutschem Recht gefordert, wenn man in einen Krieg zieht.
Wird der Bundestag dem Vorhaben zustimmen?
Ja. Die Grosse Koalition in Berlin hat eine breite Mehrheit, womit sich eine solche Mission durchsetzen lässt. Andernfalls müsste die Regierung zurücktreten, wenn sie in einem solchen Punkt keine Mehrheit im Parlament bekommt.
Die Oppositionsfraktionen sind naturgemäss etwas anderer Auffassung. Vom Bündnis 90/Die Grünen hört man eher warnende Worte. Ich habe aber das Gefühl, dass man sich vielleicht doch überlegt, zuzustimmen. Es geht hier wohl mehr um Fragen des überlegten Handelns, Einsatzstrategien und die Gefahren, in einen Bodenkrieg hineinzuschlittern. Die Linkspartei macht ganz klar nicht mit und spricht von einer falschen Strategie, die den Terrorismus stärke und noch mehr Menschen zu den IS-Terrormilizen treibe.
Die Linke warnt auch von Anschlägen in Deutschland. Ist das ein wichtiges Argument?
Ja, es spielt vor allem in der Bevölkerung eine Rolle. Denn alle, die richtig in diesen Krieg eingestiegen sind, stehen unter hoher Terrorgefahr. Das zeigen die Anschläge von Paris ebenso wie die Bombe im russischen Flugzeug oder der Anschlag in Beirut gegen die auf Seite von Assad kämpfende Hisbollah. Deutschland steht allerdings mit der Lieferung von Waffen an die kurdischen Peschmerga-Kämpfer in Nordirak ohnehin bereits im Visier der Terrormiliz IS, was letztere auch ausdrücklich erklärt hat.
Ich gehe also nicht davon aus, dass sie die Anschlagsgefahr durch die deutsche Beteiligung am Luftkrieg noch zusätzlich verstärken wird. Aber es ist natürlich ein Argument, dass in der Bevölkerung diskutiert wird.
Das Gespräch führte Tina Herren.