Der Tonfall am Parteitags der Konservativen war durchwegs patriotisch, aber die Strategie unverhüllt parteipolitisch. Nach dem eher erbärmlichen Auftritt von Oppositionsführer Ed Miliband letzte Woche und nach mehreren Übertritten von Konservativen zur anti-europäischen Ukip-Partei musste Tory-Chef David Cameron konkret werden.
Er verschwieg, dass seine Regierung vor viereinhalb Jahren die Eliminierung des Budgetdefizits in dieser Legislaturperiode versprochen hatte. Er erwähnte nicht, dass dieses Defizit noch immer rund sechs Prozent der britischen Wirtschaftsleistung ausmacht: Das Defizit werde bis 2018 beseitigt. Er sei zuversichtlich, dass dies ausschliesslich mit Ausgabenkürzungen gelinge, sagte der Premier.
Das bedeutet sinkende Wohlfahrtszuschüsse mit Ausnahme der Renten und noch einmal tiefe Einschnitte in die Ministerialbürokratie. Zugleich will Cameron den Steuerfreibetrag auf 12‘500 Pfund pro Jahr erhöht, umgerechnet über 19‘000 Franken.
Neue Steuerversprechen
So stiehlt Cameron die Kleider seiner liberalen Koalitionspartner und pariert Ukips Versprechen nahezu, den Mindestlohn steuerfrei zu machen. Doch damit nicht genug: Die Tories wollen auch die Schwelle verschieben, nach der die höhere, 40-prozentige Einkommenssteuer fällig wird: von aktuell 41'900 auf 50‘000 Pfund.
Das ist eine massive Erleichterung, namentlich in einer Volkswirtschaft mit sinkenden Reallöhnen. Die Kosten betragen rund sieben Milliarden Pfund im Jahr. Die Kürzungen müssen auch das ausgleichen.
Harte Ansage bei Personenverkehr
Ukip stand auch bei den restlichen Versprechungen Pate, vor allem aber bei der Eindämmung der Einwanderung aus der restlichen EU. Cameron will bekanntlich die britische EU-Mitgliedschaft neu aushandeln.
«Ich werde keinen Widerspruch aus Brüssel dulden und das bekommen, was die Briten beim freien Personenverkehr brauchen.» Die Europäer wüssten schon, was er für ein harter Verhandlungspartner sei.
«Land der ‹Magna Charta› braucht keine Lektionen»
Doch Europa ist mehr als Brüssel. Europa ist auch Strassburg, und die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind den Konservativen ein Dorn im Auge, seit sie darauf bestehen, dass gewisse britische Sträflinge das Stimmrecht erhalten sollten.
«Das Land, das vor 700 Jahren die ‹Magna Charta› geschrieben hat, braucht keine Lektionen in Menschenrechten», hielt Cameron dazu fest. Stattdessen wird es einen britischen Grundrechtekatalog geben. Die Verankerung der Europäischen Menschenrechtskonvention im britischen Recht wird gestrichen. Deshalb hatte Cameron vor ein paar Wochen jene Kabinettsmitglieder entlassen, die an einen europäischen Rechtsraum glaubten.
Die heutigen Versprechungen überzeugen nicht durch ihren Realismus, aber sie lassen sich an der Türschwelle den Wählern gut verkaufen. Trotzdem bleiben Camerons Aussichten auf eine absolute Mehrheit verschwindend gering. Obwohl er es nicht wahrhaben will, ist das Königreich dabei, zum Vierparteienstaat zu werden.