Es war nicht der Auftakt zum Parteitag, den sich der konservative britische Premierminister David Cameron gewünscht hätte: Mark Reckless, ein konservativer Unterhausabgeordneter, kündigte seinen Übertritt zur anti-europäischen Ukip-Partei an.
Überläufer zur Anti-EU-Partei Ukip
Er liess es nicht beim Übertritt zur Ukip-Partei bewenden: «Die Wähler fühlen sich übergangen, verachtet, ausgeplündert, bevormundet und belogen», sagte Reckless. Ein notorischer Rebell – sein Name bedeutet auf Deutsch «verantwortungslos» – wechselte von einer Regierungspartei zu einer Protestpartei; was seinem Naturell besser entspricht.
Reckless ist nicht der erste Abtrünnige Tory, der zu Ukip wechselt. Ende August sprang der Abgeordnete Douglas Carswell ab. Premier Cameron versuchte, vernünftig zu reagieren: Dass gewisse Tories zu Ukip überlaufen würden, sei frustrierend; aber auch widersinnig. Denn nur die Konservativen könnten eine Volksabstimmung über den Austritt aus der EU garantieren, nur sie könnten die Freizügigkeit beschränken, sagte er.
Empört über den Verrat von Reckless zeigte sich der Geschäftsführer der Konservativen, Grant Shapps: «Wir wurden von jemandem enttäuscht, der alle wiederholt belogen und betrogen hat», polterte er.
Rücktritt nach Sex-Skandal
Zeitgleich mit Reckless' Absprung verliess ein Minister die Regierung. Er hatte einer jungen Dame, die er für eine glühende Konservative gehalten hatte, anatomisch präzise Abbilder seiner selbst gesandt. Die Dame hat sich inzwischen als ahnungsloses schwedisches Fotomodell entpuppt, der Empfänger der Bilder als männlicher Boulevardjournalist.
Das alles versetzte die Torys zurück in die Neunzigerjahre, als ein Skandal den nächsten jagte. Doch diesmal ist die Lage ernst – nicht nur für die Konservativen. Denn Ukip macht auch Jagd auf Parlamentssitze der Labour-Partei. So hielt Ukips Chef, Nigel Farage, letzte Woche seinen Parteitag frech im Wahlkreis des Labour-Vorsitzenden Ed Miliband ab. Er parkiere seine Panzer auf Labours Rasen, sagte der Provokateur.
Schon nächste Woche kommt die Nagelprobe: Labour und die Konservativen verteidigen je ein Unterhausmandat in Nachwahlen. In beiden Fällen ist Ukip die Herausforderin. Ein Doppelsieg würde die britische Parteienlandschaft sieben Monate vor den Neuwahlen gehörig durchschütteln. Klar ist schon jetzt: Ukip diktiert den Puls des Geschehens – und nicht die altgedienten Torys und Labour.