Trotz einer vereinbarten Waffenruhe zwischen Armee und Aufständischen in der Ukraine ist beim Beschuss der Hafenstadt Mariupol eine Frau ums Leben gekommen.
Die 33-Jährige sei von Splittern einer Granate getroffen worden und im Krankenhaus gestorben, teilte die Stadtverwaltung von Mariupol mit. Drei weitere Zivilisten seien schwer verletzt worden.
Es sind die ersten bestätigten Opfer seit Beginn der beidseitigen Waffenruhe am Freitagabend. Wer die Granaten in der Nacht abfeuerte, ist unklar. Regierungseinheiten und pro-russische Separatisten werfen sich gegenseitig Verstösse gegen die Waffenruhe vor.
Das gegenseitige Misstrauen der Konfliktparteien sei sehr gross, sagte Peter Gysling, SRF-Korrespondent in Moskau, in der Sendung «Echo der Zeit». So wurde in den letzten 24 Stunden auch geschossen. Von einem generellen Scheitern der Waffenruhe will er aber nicht sprechen.
«Wenn man sich die Situation vor Ort vor Augen hält, beispielsweise die komplizierten Befehlsstrukturen bei den Separatisten, dann musste man davon ausgehen, dass trotz des Abkommens von Minsk da und dort geschossen wird. Auch wenn dies zu bedauern ist.»
Kämpfe in der Nacht
In den Vororten von Mariupol hatte es in der Nacht auf Sonntag mehrere schwere Explosionen gegeben. Laut Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters gab es dann am Morgen auch in der Nähe des Flughafens von Donezk anhaltendes Artilleriefeuer. Der Flughafen war zuletzt wieder unter die Kontrolle der Regierungstruppen gekommen.
«Wir sassen gerade mit verschiedenen Journalisten beim Nachtessen, als es auf einmal in der Nähe geknallt hat», schildert SRF-Korrespondent Christof Franzen die Situation in Mariupol. Für den Moment habe es so ausgesehen, als ob es zum Einmarsch komme. Doch am Ende sei es ruhig geblieben.
Franzen ordnet das in der Nacht Geschehene unter «Psycho-Spielchen» ein, die möglicherweise von beiden Seiten gespielt würden. Habe sich gestern ein Gefühl der Erleichterung unter den Einwohnern von Mariupol breitgemacht, sei die Stimmung heute gedrückt. «Am Stadtrand halten sich die Leute deshalb wieder in den Kellern versteckt. Viele befürchten, dass die Kämpfe vielleicht doch wieder losgehen könnten.»
Präzisierungen nötig
Im Abkommen von Minsk über die Waffenruhe steht, dass alle ungesetzlich bewaffneten Formationen die Ukraine verlassen sollen. Laut SRF-Korrespondent Gysling wird dieser Passus von den Streitparteien unterschiedlich interpretiert. «Für Kiew sind die bewaffneten Separatisten und insbesondere die russischen Söldner und Verbände ungesetzlich, für die Rebellenführer die kämpfenden ukrainischen Freiwilligenverbände und letzlich auch die ukrainische Armee.»
Das Minsker Protokoll müsse von den Streitparteien noch präzisiert werden, habe ihm die OSZE-Vertreterin Heidi Tagliavini gesagt, so Gysling. Das Protokoll sei eine politische Absichtserklärung die ernst zu nehmen sei, die aber noch präzisiert werden müsse. Das solle nun in den nächsten Tagen geschehen.
Erste Gefangene freigelassen
Am Samstag begannen die pro-russischen Aufständischen der Regierung in Kiew zufolge, Gefangene freizulassen. Mehrere Soldaten seien in der Nähe der Separatisten-Hochburg Lugansk übergeben worden, sagte ein Regierungssprecher.
Die pro-westliche Führung der Ex-Sowjetrepublik will ihrerseits vermutlich an diesem Montag erste Gefangene freilassen. Die Aufständischen haben Schätzungen zufolge etwa 1000 Soldaten in ihrer Hand, die Regierungstruppen demnach etwa 200 moskautreue Kämpfer.