Mit Bombenterror und Selbstmordanschlägen versuchen Terroristen, die Parlamentswahl in Irak zu verhindern. Allein bis Mittwochmittag kamen landesweit zwölf Menschen ums Leben, darunter zwei Selbstmordattentäter. Ungeachtet der Gefahr durch Anschläge bildeten sich am Mittwoch
teils lange Schlangen vor den Wahllokalen. Beobachter rechnen mit einer Stimmbeteiligung von bis zu 60 Prozent.
«Angenehme Atmosphäre» in Bagdad
«Die Sicherheitslage ist tatsächlich sehr schlecht», sagt die Journalistin Birgit Svensson in Bagdad. Deshalb gilt in der Hauptstadt ein allgemeines Fahrverbot. Ein Grossaufgebot an Sicherheitskräften soll einen möglichst störungsfreien Wahltag ermöglichen.
Trotzdem: «Es ist sehr lebendig in der Stadt, und ich empfinde die Atmosphäre derzeit als sehr angenehm», beschreibt die langjährige Kennerin Iraks die Stimmung. Badgad sei noch nie so bunt gewesen wie in den letzten Wochen. Seit der Wahlkampf begonnen habe, würden überall riesige, farbige Plakate hängen. Sie sagt: «Die Iraker lassen sich von der Gewalt nicht mehr dominieren, man hat gelernt, damit zu leben.»
Es geht um Politik – nicht um Religiöses
Wie viele andere Beobachter auch geht Svensson davon aus, dass die schiitische Partei von Ministerpräsident Nuri al-Maliki, die Wahlen gewinnen wird. Allerdings könne er nicht mit einer absoluten Mehrheit rechnen – zu zerstritten seien die Schiiten untereinander. Maliki ist seit acht Jahren an der Macht und wird von seinen Gegnern als «neuer Diktator» beschimpft. Angesichts dieser Ausgangslage rechnet die Journalistin mit schwierigen Koalitionsverhandlungen für eine neue Regierung.
Die ethnischen Gegensätze und daraus resultierenden Probleme im Vielvölkerstaat Irak sieht Svensson im Vergleich zur Situation vor acht Jahren eher am Schwinden: «Der Konflikt, der jetzt abläuft ist rein politisch: Es geht um die Macht und die Ressourcen und letztendlich um das Öl.» Und Ölvorkommen gibt es sowohl im Norden – wo Kurden und Sunniten leben – wie im Süden um Basra, wo fast nur Schiiten leben.
Neues Selbstbewusstsein der Frauen
Eine weitere, positive Entwicklung sieht die Journalistin in der steigenden Beteiligung der Frauen am Gesellschaftsleben und der Politik. In den Strassen Bagdads sehe man viel mehr Frauen als früher. Die Tatsache, dass 3000 Frauen für Parlamentssitze kandidieren, führt sie denn auch nicht allein auf die in der Verfassung festgeschriebene Frauenquote zurück.
Sie beschreibt diese Entwicklung als «Frauenpower am Tigris». Die irakischen Frauen würden ein ganz neues Selbtsbewusstsein an den Tag legen und wollten tatsächlich ins Parlament oder sogar in die Regierung. Svensson beschreibt dies als ein grundsätzliches Umdenken, was die klassische Stellung der Frauen in der irakischen Gesellschaft angehe.