Mit grosser Sympathie verfolgte die Schweizer Öffentlichkeit im Herbst und Winter 1956 die dramatischen Ereignisse in Budapest. Nach dem Einmarsch der Sovjets nahm die Schweiz 14'000 Ungarn-Flüchtlinge auf; mit dem Zug in Buchs ankommend, wurden diese mit grosser Solidarität empfangen. Dennoch haben viele von ihnen Verständnis für die harte Haltung der aktuellen ungarischen Regierung gegenüber den Flüchtlingen an der Südgrenze des Landes.
So wie Vince Gösi, der 1956 ebenfalls mit einem der Flüchtlingszüge in die Schweiz kam. Bis heute sei er der Schweiz dankbar dafür, wie er und seine Landsleute aufgenommen worden seien und für die Möglichkeiten, die ihnen die neue Heimat geboten habe, sagt Gösi.
In Ungarn aber sei die Situation heute eine andere; der Zaun eine gute Sache: «Die Aufgabe einer Regierung ist es, die eigene Bevölkerung zu schützen und nicht wahllos Flüchtlinge ins Land zu nehmen», sagt der ehemalige Flüchtling.
Muss Ungarn nur als Prügelknabe herhalten?
Die westliche Kritik an der Regierung Orban wegen des Umgangs mit den Flüchtlingen sei so nicht berechtigt, meint auch der langjährige NZZ-Journalist Andreas Oplatka. Auch wenn die Bilder von in Lagern eingesperrten Flüchtlingen den ehemaligen Ungarn-Flüchtling betroffen machen: «Wenn Ungarn die Leute ohne Registrierung weiterreisen lässt, wird es dafür kritisiert. Wenn es die Leute bei der Registrierung gegen ihren Willen festhält, wird es auch wieder kritisiert».
Für die Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten die Schweiz erreichen, haben die 56er-Flüchtlinge in der Schweiz Mitgefühl. Die Regierung in Budapest und ihre ehemalige Heimat sehen jedoch viele von ihnen als Prügelknaben des Westens.