SRF: Entsprechen die bekannt gegebenen Zahlen dem wahren Willen der Bevölkerung?
Christoph Franzen: Das wissen wir auch nach dem gestrigen Referendum nicht. Die Resultate sind nämlich stark anzuzweifeln. Es gibt Regionen, Städte und Dörfer, in denen gar nicht gestimmt werden konnte. Es waren auch keine internationalen Beobachter vor Ort, die den Urnengang hätten einschätzen können. Doch das Hauptproblem war, dass die Menschen gar nicht gewusst haben, um was es bei diesem Referendum geht. Das zeigte sich klar bei Befragungen, die ich selber gemacht habe. Einige meinten, es ginge um die Unabhängigkeit von der Ukraine, für andere ging es um mehr Autonomie. Wieder andere meinten, es gehe um eine wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Einer der Separatistenführer hat erklärt, die ukrainischen Soldaten würden nun als fremde Besatzungsmacht eingestuft. Wie geht es weiter?
Die Anführer, die pro-russischen Separatisten, die sagen natürlich nun, dass sie die Herren sind in Donezk und nicht mehr wie früher die politische Elite. Nun stellt sich die Frage, ob die Kampfhandlungen weitergehen. Ich glaube, früher oder später muss auch Kiew einen Schritt machen und sich auch mit den pro-russischen Separatisten an einen Tisch setzen. Die anti-terroristischen Operationen auf dem militärischen Terrain haben wenig Erfolg gehabt.
Russlands Präsident Putin wartet noch zu mit einer Reaktion, er wolle zunächst das definitive Abstimmungs-Ergebnis analysieren. Welche Haltung ist vom russischen Präsidenten zu erwarten?
Er wird die Abstimmung als eine Art Willensäusserung der Bevölkerung hier akzeptieren. Die andere Frage ist, ob er das auch als legitime Abstimmung betrachten wird und dazu seinen Segen geben wird.