Oppositionspolitiker Márton Gyöngyösi von der Jobbik-Partei lässt normalerweise kein gutes Haar an Viktor Orbán. Doch jetzt lobt er ihn: «Ausnahmsweise ist mein Premierminister in einer Sache einmal konsequent», sagt der ungarische Parlamentarier.
Jobbik ist eine ungarische Rechtsaussenpartei. Doch in der Flüchtlingspolitik bleibt derzeit rechts von der Regierung schlicht kein Platz. Also zieht Jobbik mit der Regierung an einem Strick und ärgert sich still, dass die Partei laut Umfragen jene Wähler wieder verliert, die sie Orbáns Fideszpartei im letzten Jahr abjagen konnte.
Knallharte Politik kommt im Land gut an
Links von der Regierung erstreckt sich dagegen ein weites Feld. Einer der wenigen Politiker, die sich darauf stürzten, war Ferenc Gyurcsány, der ehemalige Premierminister Ungarns und heutige Chef der linksliberalen Demokratischen Koalition. Gyurcsány sagt, er wisse nicht ob er damit Wähler gewann oder verlor.
Der ehmalige Premier liess Dutzende Flüchtlinge bei sich zu Hause übernachten und erzählte dies auch dem Fernsehsender CNN. Einige Leute hätten ihn zwar für sein Engagement gelobt, sagt er. Aber auch er gibt zu: «Die derzeitige Regierung, hatte mit ihrer knallharten Politik Erfolg. Die Asylsuchenden kommen nicht mehr.» Viele Wähler sind mit diesem Ergebnis zufriden, so Gyurcsány. Doch er fragt: «Zu welchem Preis?»
Abschottung – zu welchem Preis?
Gyurcsány weiter: Ungarn habe sich isoliert. Die traditionell guten Beziehungen zu Österreich und Deutschland seien beschädigt. Mit den Nachbarn Rumänien, Serbien und Kroatien habe man schwere Konflikte. «Ungarn hat keine Freunde mehr.» Das sei gefährlich, etwa in der EU, wo man nur mit Verbündeten etwas erreiche. «Orbán gefährdet Ungarns Position. Früher oder später werden wir merken, dass wir ganz allein dastehen», befürchtet der Politiker.
Das gleiche denkt auch der Europaparlamentarier der ungarischen Grünen Partei LMP, Tamás Meszerics. Aber wie oder wann genau Ungarn für diese Politik büssen werde, könne er auch nicht sagen. «In der Politik bin ich ein hoffnungsloser Optimist. Langfristig darf so etwas nicht funktionieren», so Meszerics.
Rationale Debatte unmöglich
Die ungarische Regierung solle von aussen zurechtgestutzt werden. Meszerics: Auch weil im Land selber die Flüchtlingskrise kaum vernünftig diskutiert werden könne. «Beide Seiten reagieren sehr emotional. Einerseits die Regierung, die die Fremdenfeindlichkeit mit Kampagnen schürt. Andererseits eine sehr kleine Gruppe von Leuten, die den Asylsuchenden aktiv hilft. Eine rationale Debatte findet in dieser Situation nicht statt.»
Dem Frust des Oppositionspolitikers steht die Zufriedenheit bei der regierenden Partei Fidesz entgegen. Anfang Jahr sei die Regierung zwar auch im Inland für ihre Flüchtlingspolitik kritisiert worden, sagt etwa Vizefraktionschef Gergely Gulyás. Nun verweist er auf den Höhenflug seiner Partei in den neusten Umfragen. Dass Ungarns Ruf gelitten hat – bestreitet er nicht. «Die Beleidigungen, die zwischen Wien und Budapest hin und herfliegen, sind bedauerlich», so Gulyás. «Wir haben aber auch in der Flüchtlingspolitik Verbündete.»
Als Ehregast bei der Deutschen CSU
Ein Völkerrechtsverstoss wurde Ungarn bis jetzt lediglich von der UNO vorgeworfen – nicht von der EU oder EU-Mitgliedern. Die Wirtschaftsbeziehungen Ungarns sind alle noch intakt. Und wo andere Länder Lösungen für die Flüchtlingskrise suchen, erinnern sie oft an das ungarische Modell.
Orbáns Politik der Abschottung und Abschreckung ist also innenpolitisch ein grosser Erfolg. Sie sorgt zwar international für Empörung – aber kaum für klare oder gar einhellige Ablehnung. Im Gegenteil: Kommende Woche fährt Viktor Orbán nach Bayern zur Klausurtagung der CSU – als Ehrengast.